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"Um ein tadelloses Mitglied einer Schafherde sein zu können, muß man vor allem ein Schaf sein." (Albert Einstein)


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Du möchtest mich unterstützen?

Wenn du dir dessen bewusst bist, dass die Kategorisierung behindert / nichtbehindert mit dir auf der Seite der Nichtbehinderten keine dauerhafte ist, weil 97% aller Behinderungen im Lauf des Lebens erworben werden. Wenn Dir also bewusst ist, dass du nur noch nicht behindert bist und ich schlicht zu den 3% gehöre, die so geboren wurde.

Wenn deine Unterstützung mir Energie einspart statt welche zu kosten.

Wenn du anerkennen kannst, dass ich die Expertin meiner eigenen Behinderung bin und wenn du respektieren kannst, dass ich am besten weiß, was ich mir zumuten kann, nach welchen Zielen ich streben sollte und welche Unterstützungsmaßnahmen sinnfrei für mich sind.

Wenn du respektierst, das ich entscheide, wie viel und bei welchen Dingen ich Unterstürzung brauche und dass ich an manchen Tagen etwas alleine schaffe, was mir an anderen Tagen nicht möglich ist.
Wenn du mir nicht unterstellst, dass ich mich bei ausreichend Übung schon an xyz gewöhnen kann, und dir nicht heimlich denkst, dass ich mich nur genügend anstrengen oder es wollen oder mich nicht so anstellen müsse – gestern ging es doch auch.

Wenn du Verständnis dafür haben kannst, dass mich bei hohem Stresserleben als erstes die Fähigkeit, Blümchen und Flausch um Kommuniziertes zu wickeln, danach die Fähigkeit, mich eloquent auszudrücken bis dahin, mich überhaupt noch auszudrücken verlässt.

Wenn du mir glaubst, dass ich mich so gut es geht bemühe, in einer Umwelt, die nicht für mich, gemacht ist, zurechtzukommen. Wenn dir klar ist, dass das manchmal bedeutet, dass ich meine ganze Kraft dafür einsetzen muss, in dieser Umwelt zu überleben und keine mehr habe, es dir Recht zu machen. Wenn du dann geduldig sein kannst und nicht meinst, dass ich dich mit Absicht ärgern möchte, stur bin, unflexibel oder begriffsstutzig.

Wenn du damit umgehen kannst, dass ich dich kritisiere, wenn ich meine, dass du mich übergriffig oder ableistisch behandelst – das kann ja mal passieren, es sollte halt nicht die Regel werden. Wenn du dann nicht über die Art und Weise meiner vorgebrachten Kritik diskutieren möchtest, sondern wir über den Inhalt meiner Kritik sprechen können.

Wenn du bereit bist, dich selbst darin weiterzubilden, was meine Behinderung ausmacht, wie sie sich auswirkt und nicht von mir erwartest, dass ich das übernehme, indem ich ständig und immer wieder den Erklärbären gebe – sogar in Situationen, wo meine Behinderung mir das gar nicht mehr ermöglicht. Ich erkläre dir gerne, wie ich die Welt erlebe, aber ich lasse mich nicht dafür verantwortlich machen, wenn du dir meine Erklärungen nicht merkst.

Wenn du begreifen kannst, dass ich mich bemühe, die bestmögliche Version meines autistischen Selbst zu werden und nicht deinen Normvorstellungen entsprechen muss.

Wenn du darauf verzichten kannst, meine Welt in Ordnung bringen zu wollen, weil du der Ansicht bist, meine Behinderung würde mich in meinen Möglichkeiten einschränken – die in Wahrheit nur deine Vorstellungen davon sind, was ich erreichen soll.

Wenn du dein Ego auch mal hintenanstellen kannst und mir nicht vorwirfst, es durch mein behinderungsbedingtes Verhalten verletzt zu haben, wenn ich mich gerade mal wieder bemühe, unfallfrei durch Kommunikationsminenfelder zu navigieren. Autismus ist definiert als Behinderung in der sozialen Kommunikation und Interaktion, du solltest also nicht erwarten, dass ich nichtbehindert kommunizieren und soziale interagieren kann. Ich bin durch und durch und mein ganzes Leben lang autistisch, ich kann meinen Autismus nicht mal eben ablegen, wenn er grad nicht passt.

Wenn du im Gedächtnis behalten kannst, dass ich dich nicht absichtlich verletze, weil ich ein unsozialer Mensch bin, sondern tue, was ich innerhalb meines Möglichkeitsraumes tun kann.

Wenn du akzeptierst, dass ich nicht dazu da bin, dir selbst zu beweisen, was für ein toller Mensch du bist, weil du mich unterstützt.

Wenn du von mir keine dir ewig nachschleichende Dankbarkeit erwartest und dir klar ist, dass du mich nicht aus Selbstlosigkeit unterstützt, sondern weil es dein Job ist und du dafür bezahlt wirst.

Wenn du dir deiner eigenen Motive, mich zu unterstützen bewusst und dir selbst gegenüber ehrlich bist, denn dann besteht eine große Chance, dass du auch mir gegenüber ehrlich bleibst.

Wenn du nicht leugnest, dass es ein Machtgefälle gibt zwischen dir als unterstützende Person und mir als der Person, die von dir unterstützt wird und du darauf verzichtest, deine Macht mir gegenüber auszuspielen, weil du dich gerade durch meine autistische Art zu Sein gekränkt fühlst oder schlecht drauf bist oder oder oder.

Wenn du mich nicht zum Objekt Deiner Karrierepläne machst, weil Du meinst, dass du mit der Unterstützung von behinderten Menschen eine Nische gefunden hast, in der du dich profilieren kannst.

Wenn du und ich uns auf Augenhöhe begegnen können, weil für dich zu jeder Zeit sonnenklar ist, dass ich zwar behindert, aber nicht weniger wert bin als du, ich bin nur anders.

Dann freue ich mich, wenn du mich unterstützen möchtest.

Bildquelle: Gerd Altmann (14. Oktober 2014). https://pixabay.com/illustrations/support-thumb-thumbs-up-poor-man-487504/
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Masterstudium – das Ende kann auch ein Anfang sein

Ich habe es geschafft! Ich habe mein Masterstudium tatsächlich erfolgreich abgeschlossen. So richtig angekommen ist das bei mir noch nicht. Es fühlt sich seltsam an, jetzt eigentlich sehr viel mehr Freizeit zu haben, weil ich nicht mehr neben der Arbeit noch jeden Tag bis spätabends an meiner Masterarbeit sitzen muss. Eigentlich deshalb, weil ich es seit der Verteidigung und damit dem Ablegen der letzten Prüfungsleistung einfach nicht fertiggebracht habe, nach meiner offiziellen Arbeitszeit den Laptop herunterzufahren und mich anderen Dingen zu widmen. Stattdessen hatte ich gestern schon wieder begonnen, zu einem neuen Thema zu recherchieren. Und liegengebliebene bürotechnische Dinge von dem Papierstapel abzuarbeiten, der sich auf meinem Schreibtisch türmt.

Es ist nicht so, dass ich mich langweile. Vermutlich bin ich dazu gar nicht fähig. Aber ich glaube, ich muss erst wieder lernen, wie „Freizeit“ geht. Mal wieder ein Buch zur Hand nehmen und mich darauf einlassen, etwas zu lesen, das nichts mit wissenschaftlicher Forschung zu tun hat. Ich bin nur noch nicht so weit. Ich muss erst realisieren, dass ich jetzt wirklich fertig bin mit diesem Studium. Am Ende meiner Online-Verteidigung saß ich vor dem Bildschirm und habe die Professorin gefragt „Bin ich jetzt wirklich fertig?“, woraufhin sie mir lächelnd bestätigt hat, dass es für mich jetzt nichts weiter zu tun gäbe. Ich müsse nur noch darauf warten, dass das Prüfungsamt mir mein Zeugnis und die Masterurkunde zusendet.

Das heißt auch, dass ich mich nicht mehr um Rückmeldefristen kümmern muss. Und auch, dass ich exmatrikuliert werde, etwas, das ich mir so gar nicht vorstellen kann und wo sich sofort innere Widerstände melden. Also hatte ich gestern auf den Webseiten der Fernuniversität Hagen nach anderen Masterstudiengängen gesucht, für die ich mich einschreiben könnte. Ich kann mir nicht vorstellen, jemals mit dem Studieren bzw. dem Lernen aufzuhören, denn lebenslanges Lernen ist für mich nicht nur ein Schlagwort, sondern eine gelebte Haltung.

Zu meinem größten Glück darf ich seit fast einem Jahr beruflich in einem Umfeld arbeiten, in dem ich meine Talente auch einsetzen kann. Weil ich es geschafft habe, mein Masterstudium rechtzeitig zu beenden, kann ich in diesem Umfeld bleiben. Und erhalte die Chance, die nächsten Jahre etwas zu tun, was mir so richtig Spaß macht: Ich darf wissenschaftlich arbeiten und forschen. Insofern lebe ich lebenslanges Lernen auch in meiner Arbeit. Ich habe nach all den Jahren des Scheiterns im Arbeitsleben doch noch meine Nische gefunden. Beim Schreiben dieser Zeilen lächle ich sehr breit, weil ich zutiefst dankbar bin. Es ist unbeschreiblich wertvoll, endlich meinen Platz in der Arbeitswelt gefunden zu haben. Ja, ich weiß, spät, aber besser spät als nie. Und: Es ist nie zu spät.

Ich wünsche jedem, der das liest, dass ihr auch euren Platz findet. Aus meiner eigenen Erfahrung heraus bitte ich euch: Gebt nicht auf. Auch wenn ihr sehr lange Zeit keine Erfolgserlebnisse habt, wenn ihr auf Widerstände trefft, sucht weiter, geht einen anderen Weg, aber gebt euch und eure Träume nicht auf.

Bild von Peggy und Marco Lachmann-Anke auf Pixabay: Peggy_Marco (2016, 23. Nov.). https://pixabay.com/de/photos/wei%c3%9fe-m%c3%a4nnchen-3d-model-freigestellt-1834086/


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Piep – ein Lebenszeichen

Warum ich so lange abgetaucht war, hat mehrere Gründe:

Ich habe – alleinverantwortlich, ohne Unterstützung, denn die war und blieb aus, zusätzlich war (und ist) mein Vertrauen in irgendwelche Fachdienste, die sich angeblich mit Autismus auskennen und sich bereiterklärten (gegen Entgelt natürlich), mich unterstützen zu wollen, aufgrund meiner Erfahrungen empfindlich gestört – tatsächlich eine berufliche Nische gefunden. Besser gesagt, ich bin gefunden worden, weil ich mich nicht mit der Einschätzung des Exklusionsfachdienstes abgefunden hatte, dass es mir angeblich nicht möglich sei, „auch in einem geschützten und begleiteten Rahmen so zu agieren, dass [meine] Talente gleichzeitig verwertbar und jedoch auch tragbar für den Arbeitgeber sind“. Ich habe diesen erbärmlichen Versuch, sich an mir zu rächen (für was auch immer) abgeheftet und beschlossen, dass es mir ohne „Unterstützung“ bessergeht.

Auf eigene Faust habe ich also weitergesucht. Dank Covid-19 gab es digital stattfindende Veranstaltungen. Ich weiß, dass Corona und die Einschränkungen vielen Menschen nicht gutgetan haben – ich gehöre jedoch zu der vermutlich sehr kleinen Gruppe derer, für die das ein wahrer Segen war. Schön länger verfolgte ich die Aktivitäten des Hildegardis Vereins und meldete mich für einen Bewerbertag für Studentinnen mit Behinderung und Arbeitgeber*innen an. Der Tag war für mich ziemlich anstrengen, aber interessant und die Anstrengung hat sich gelohnt, denn das Ganze resultierte in einem Arbeitsvertrag als Projektmitarbeiterin an einer Hochschule. Zunächst als studentische Hilfskraft, nach einem halben Jahr dann als befristet Angestellte im Projekt. Aus der Rückschau war das für mich optimal, ich hatte Zeit, das Team, das Arbeitsumfeld und die Aufgaben kennenzulernen und konnte quasi in alles „hineinwachsen“.

Jetzt arbeite ich in einem wunderbaren Team, das einen Umgang miteinander pflegt, den ich noch niemals zuvor in der Arbeitswelt so erlebt habe. Und das Beste daran ist, dass ich eingestellt wurde, weil ich Autistin bin und nicht obwohl ich Autistin bin. Mein Arbeitsplatz ist genau die berufliche Nische, nach der ich immer gesucht hatte. Ich fühle mich als Person und meine Arbeitsleistung wertgeschätzt, habe Entwicklungsmöglichkeiten, ich kann mein Wissen aus meinem Studium verwerten, ich arbeite in einem wissenschaftlichen Umfeld, kann meine Stärken einbringen und lerne permanent Neues dazu. Ein Traum.

Es gab nur eines, das fehlte und das lag an mir. Seit ich 2018 mein letztes Pflichtmodul im Masterstudium beendet hatte, meldete ich mich zwar jedes Semester zurück, hatte es aber nicht geschafft, meine Masterarbeit endlich in Angriff zu nehmen, ergo auch keinen Abschluss. Aufmerksame Leserinnen und Leser haben es sicher bemerkt: ich schrieb „es gab“. Hey Leutz, ich kann es immer noch nicht glauben, aber ich habe diese Woche tatsächlich meine Masterarbeit ans Prüfungsamt geschickt. Es ist ein überaus befriedigendes Gefühl, gleichzeitig muss ich über mich selbst grinsen, weil ich auf meine alten Tage noch so etwas wie „Karriere“ mache und voll durchstarte. Ohne diese Arbeitsstelle hätte ich das aber vermutlich nicht mehr geschafft. Deshalb: Ein tief empfundenes Danke.

Das zweite Großprojekt, das meine Energien so beansprucht hat, dass ich Blogbeiträge hintanstellte, war die Gründung eines Vereins von Autistinnen und Autisten für Autistinnen und Autisten. Neun andere Autistinnen und Autisten und ich haben zusammen den Verein Autismus Selbstvertretung Bayern gegründet. Die Vereinsgründung, die ganzen Formalien, bis ein Verein eingetragen ist, die Anerkennung der Gemeinnützigkeit beim Finanzamt usw., usf., das hat einige Zeit gedauert, ist aber nunmehr geschafft. Dank unserer engagierten Schatzmeisterin, die einen Antrag auf Fördergelder gestellt hatte, haben wir jetzt auch den Bescheid erhalten, dass wir unsere Pläne, wie wir uns und unsere Interessen selbst vertreten, in die Tat umsetzen können. Neumitglieder sind übrigens gerne willkommen. Nähere Infos dazu findet ihr auf den Vereinswebseiten.

Erwerbsarbeit und ehrenamtliche Arbeit kosten Zeit und Energie, beides bringt mir aber auf der anderen Seite auch wieder Energie, der limitierende Faktor, hier auf meinem Blog Beiträge zu schreiben, war schlicht und ergreifend die fehlende Zeit, denn ein Tag hat leider nur 24 Stunden. Dazu kam der ganz normale Wahnsinn, den man Leben nennt. Mal sehen, ob ich die Zeit finde, meinen Blog hier wieder mit regelmäßigen Beiträgen zum Leben zu erwecken. Eins ist klar: Langweilig wird mir wohl nie!

Bildquelle: Danke an Peggy_Marco (2016, 17. November). https://pixabay.com/de/illustrations/wei%c3%9fe-m%c3%a4nnchen-3d-model-freigestellt-1816220/


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Verschwiegene Tatsachen

Morgen endet die Maßnahme Unterstützte Beschäftigung. Der Kostenträger hat im Rahmen des Anhörungsverfahrens nach meiner Stellungnahme eine erneute Stellungnahme vom IFD angefordert. In meinem letzten Beitrag zum Thema lag ich falsch, der IFD hat sich dann doch etwas mehr Mühe gegeben als nur ein paar Sätze marginal zu verändern. Laut der mir inzwischen vorliegenden Dokumentation meiner ehemaligen Qualifizierungstrainerin (QT) – sie arbeitet inzwischen nicht mehr bei diesem IFD – hatte diese mir bewusst nicht die richtige zweite Stellungnahme zugesendet.

In dieser hat sich die Bereichsleitung des IFD auf den letzten Metern noch einmal so richtig an mir abgearbeitet. Wohl um mich doch noch irgendwie loszuwerden, meine ich. Wie ich nach wie vor vermute, aus gekränkter Eitelkeit oder Neid, denn ein längerer Absatz in dieser Stellungnahme beschäftigt sich ausgiebig mit den beruflichen Qualifikationen, die insbesondere sie selbst hat. Die aber nicht an mein Studium der Erziehungswissenschaft heranreichen.

Eine befreundete, ebenfalls bloggende Autistin fasst das, was in dieser Stellungnahme getan wurde, sehr schön zusammen: „Man kann Klienten bewusst schlecht aussehen lassen, wenn man signifikante Tatsachen verschweigt“.

Ich hätte etliche QT, alle selbstverständlich sehr gut geeignet und erfahren im Umgang mit Autisten, verschlissen und es stelle sich die Frage, ob die Ursache tatsächlich in den Personen der QT zu suchen seien. Nicht sonderlich subtil. Leider fehlt signifikanter Kontext. Weil ich – wie auch in ihrer Stellungnahme an die DRV explizit von der Verfasserin bestätigt wird – ein sehr gutes Gedächtnis habe und mich an jedes Wort erinnern kann und deshalb mein Umfeld auch regelmäßig auf fehlerhafte Äußerungen hinweise, reiche ich den gerne noch nach.

Die Unmengen an kompetenten QTn, die mir zur Seite gestellt wurden, waren zwei. Plus sie selbst als Krankheitsvertretung und, nachdem sie es innerhalb kürzester Zeit geschafft hatte, die Vertretung „vollkommen an die Wand“ zu fahren, woraufhin sie offenbar intern beschloss, dass eine weitere Krankheitsvertretung versuchen sollte „das Kind aus dem Brunnen zu holen“ (Quellenangabe für die beiden wörtlichen Zitate: ebendiese Vertretung zu mir am 02.04.2020), noch eine QT. Eine nicht unerhebliche signifikante Tatsache ist, dass ausgerechnet diese von der Bereichsleitung installierte QT zwar die kompetenteste war, jedoch laut ihrer eigene Aussage mir gegenüber gar nicht in dem Bereich Unterstützte Beschäftigung arbeitete und sagte, dass sie mich nicht wirklich unterstützen könne, schon weil sie keine Entscheidungen treffen dürfe. Keine Ahnung, wie das gegenüber dem Kostenträger argumentativ vertreten worden wäre. In der Stellungnahme wurde diese Tatsache jedenfalls nicht erwähnt.

Beim Punkt unzureichende Flexibilität, die daran festgemacht wird, dass ich nicht außerhalb der vereinbarten Maßnahmezeiten für den IFD jederzeit erreichbar gewesen bin, weil ich E-Mails an mich nur innerhalb dieser Zeiten las, reiche ich für die im Arbeitsrecht offenbar Nachhilfebedarf habende Bereichsleitung gerne Folgendes nach: Die Frage der Erreichbarkeit außerhalb der Arbeitszeit hängt zum einen von der Berufsgruppe ab und zum anderen von der Position im Unternehmen. Als Teilnehmerin der Maßnahme Unterstützte Beschäftigung bin ich weder bei der Feuerwehr noch habe ich Bereitschaftsdienst noch bin ich eine Angestellte mit hoher Verantwortung und entsprechend hoher Vergütung. Ich muss also weder in meiner Freizeit noch im Urlaub erreichbar sein. Wenn es dem IFD nicht möglich war, mir zeitkritische Nachrichten während der vereinbarten Maßnahmezeiten zukommen zu lassen, dann hat meiner Ansicht nach eher der IFD ein organisatorisches Problem als ich das Problem unzureichende Flexibilität.

Dazu kommt die ja nun wirklich offensichtliche Unlogik der Argumentation. In ihrem Erstlingswerk werfen sie mir noch vor, meine Belastungsgrenzen nicht zu kennen. Ja was denn nu? Nicht rund um die Uhr erreichbar zu sein bzw. seine E-Mails zu lesen ist meiner Ansicht nach eine sinnvolle Möglichkeit, sich nicht zu überlasten, also ein gelungener Akt der Selbstfürsorge. Aber geschenkt – Logik ist schließlich eine autistische Stärke, es wäre vermessen von mir, diese Fähigkeit bei einer nichtautistischen Fachkraft vorauszusetzen. Insbesondere, da es mir ja laut dieser gesundheitsbedingt nicht möglich ist, auch in einem geschützten und begleiteten Rahmen so zu agieren, dass meine Talente gleichzeitig verwertbar und jedoch auch tragbar für den Arbeitgeber sind. Hach ja. Ich armes behindertes Hascherl.

Noch kurz zum Punkt Telefonate: Ich kann telefonieren und ich telefoniere auch – wenn es keine andere Möglichkeit gibt. Dem Kostenträger gegenüber zu behaupten, ich würde hier falsche Angaben machen und als Beweis dafür ein Telefonat anzugeben, bei dem der IFD wegen des (wieder einmal – meine zweite QT war häufiger krankgeschrieben als ich) krankheitsbedingten Ausfalles meiner QT einen vereinbarten Termin 10 Minuten nach Beginn des Termins telefonisch absagte, verschweigt dann doch, wie ich meine, diese für das Verständnis sehr signifikante Tatsachen. Mal ganz abgesehen davon, dass in dieser gesamten erneuten Stellungnahme frappierend die Tatsache fehlt, dass in irgendeiner Weise Bezug auf mich als Autistin genommen wurde.

Naja, sie ist offensichtlich wirklich sehr kompetent und erfahren in der Betreuung von Autisten – der Blogbeitrag kann Spuren von Ironie enthalten. Aber sei es drum. Ändern kann ich es nicht, dass sie sich so verhält. Also lache ich darüber.

Bildquelle: geralt (12. Juni 2017) URL https://pixabay.com/de/illustrations/frage-wirklich-fragezeichen-zweifel-2392158/


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Realitätsferne Erwartungen?

Habe ich realitätsferne Erwartungen an eine Wiedereingliederung in den ersten Arbeitsmarkt oder die Maßnahme „Unterstützte Beschäftigung„?

Die Rentenversicherung möchte zum nächstmöglichen Zeitpunkt die Maßnahme „Unterstützte Beschäftigung“ abbrechen und den Bescheid über die Teilhabe am Arbeitsleben aufheben. Als Begründung wird angegeben, dass der IFD eine Wiedereingliederung in den ersten Arbeitsmarkt als nicht erfolgversprechend ansieht, weil ich Erwartungen an einen Praktikumsbetrieb habe, die nach Einschätzung des IFD nicht die Realität am ersten Arbeitsmarkt widerspiegeln und ich die Zusammenarbeit mit dem IFD ablehne, wodurch eine tragfähige und vertrauensvolle Unterstützung nicht möglich ist.

Von dieser Begründung kann ich gerade noch nachvollziehen, dass meine Erwartungen evtl. tatsächlich nicht die Realität am ersten Arbeitsmarkt widerspiegeln, was allerdings eher ein Armutszeugnis für diese Realität, den IFD und zugleich für die Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben „Unterstützte Beschäftigung“ ist.

Dass ich angeblich eine Zusammenarbeit mit dem IFD ablehne, ist nach all den Versäumnissen und dem Vorgehen des IFD, mich um jeden Preis loszuwerden, einfach nur eine Frechheit.

Laut Leistungsangebot, das sich ja irgendwer überlegt haben muss, vermutlich am Schreibtisch fernab jeglicher Realität, sollte der IFD mir teilnehmeradäquate Erprobungs- und Qualifizierungsplätze zur Verfügung stellen, die im Hinblick auf meine Behinderung, Leistungsfähigkeit, Eignung und Neigung individuell geeignet sind.

Der IFD, respektive der mich betreuende Integrationsberater, hätte also einen Praktikumsplatz für mich suchen und finden müssen, der „angemessen und geeignet“ gewesen wäre, wie es als Ziel im § 55 (Abs. 1) SGB IX formuliert ist. Im Absatz 5 desselben Paragraphen steht, dass der IFD über „die erforderliche Leistungsfähigkeit verfügen [muss], um seine Aufgaben entsprechend den individuellen Bedürfnissen der Menschen mit Behinderung erfüllen zu können“ (§ 55 (Abs. 5) SGB IX). Die mich betreuenden Integrationsberater waren während der gesamten 21 Monate Maßnahmedauer leider nicht in der Lage, mir auch nur einen einzigen Praktikumsplatz zur Verfügung zu stellen. Auf meine individuellen Bedürfnisse einzugehen, lag offenbar ebenfalls außerhalb ihrer Möglichkeiten.

Ich habe meine zwei Praktikumsstellen selbst gefunden. Der IFD reklamierte diese Leistung jedoch für sich, indem er diese Tatsache dem Kostenträger gegenüber wohlweislich verschweigt. Meine Integrationsberaterin sagte mir stets, dass sie mich unterstützen würde, an mich glauben würde und es an der Corona-Pandemie läge, dass es ihr nicht möglich sei, mir einen Praktikumsplatz zu vermitteln. Dem Kostenträger gegenüber behauptet der IFD jedoch: „Diverse Vorschläge des ifd wurden durch Frau Wanninger-Bachem auf Grund der unten beschriebenen Anforderungen an eine Stelle, verworfen“. Echt jetzt? Welche „diversen“ Vorschläge bitte, das wären ja dann mindestens zwei und was soll das Komma an dieser Stelle?

Laut dem Leistungsangebot hätte der IFD bei diesen zwei Praktika dann wenigstens die Gewährleistung für die ordnungsgemäße Durchführung übernehmen müssen. Insbesondere hätte für angemessene Bedingungen am Arbeitsplatz und die Sicherstellung der Betreuung und Begleitung gesorgt werden müssen. Und: Die Erprobungs- und Qualifizierungsplätze müssen grundsätzlich vom Wohnsitz des Teilnehmers im Rahmen der Zumutbarkeitsregelungen des § 140 SGB III erreichbar sein. Die täglichen Pendelzeiten zwischen der Wohnung und der Arbeitsstätte dürfen im Vergleich zur Arbeitszeit nicht unverhältnismäßig lang sein, im Gesetz stehen zwei bis zweieinhalb Stunden. Da meine Arbeitszeit täglich 5 Stunden betrug, hätte ich also maximal zwei Stunden Fahrtzeit hin und zurück zu einer Praktikumsstelle aufwenden dürfen. Beim ersten Praktikum betrug die einfache Fahrtzeit von Haustür zu Bürotür zweieinhalb Stunden. Seltsamerweise hatte der IFD aber keine Einwände. Soviel zum Umgang des IFD mit der gesetzlich vorgeschriebenen Zumutbarkeitsregelung.

Im Rahmen dieser Maßnahme sieht der IFD eine wöchentliche Begleitung und Betreuung der Teilnehmer vor. Einmal wöchentlich hätte der Integrationsberater eine Stunde lang mit mir sprechen sollen. Weil der IFD mit mir Home-Office vereinbart hatte, denn eine Anwesenheit in den nicht reizarmen Räumen des IFD erschien nicht zielführend, mal abgesehen davon, dass der IFD überhaupt keine freien Räume dafür gehabt hätte, kamen meine Integrationsberater bis Februar 2020 zu mir nach Hause. Seither fanden Gespräche per Skype statt – wenn sie denn stattfanden, denn leider erkrankte meine Integrationsberaterin des Öfteren längerfristig. Eine zuverlässige Krankheitsvertretung überforderte den IFD offensichtlich organisatorisch. Während der Praktikumszeiten hätten Gespräche auch bei Betriebsbesuchen stattfinden sollen. Die Realität: In den vier Monaten meines zweiten Praktikums gab es keinen einzigen Betriebsbesuch. Immerhin fünf Skype-Gespräche mit meiner Integrationsberaterin, die ersten sechs Wochen im Praktikum allerdings keines, das fünfte am letzten Tag des Praktikums. Und außerhalb meiner Arbeitszeit weitere fünf halbstündige Telefonate oder Skype-Gespräche mit der Vertretung der Vertretung, die laut eigener Aussage die „vollkommen an die Wand gefahrene Vertretung“ durch die Bereichsleitung übernommen hatte, um „das Kind aus dem Brunnen zu holen“ (RW). So viel zur Sicherstellung der Betreuung und Begleitung des IFD und zu einer tragfähigen Unterstützung.

Was mit angemessenen Bedingungen gemeint ist, hatte ein Amtsarzt des Kostenträgers DRV nach Aktenlage in Form eines Leistungsbildes zusammengestellt. Ich selbst hatte auf einer knappen DIN A4 Seite Beschwerden und Funktionsbeeinträchtigungen formuliert, die im Entlassbericht der medizinischen Rehabilitation mit aufgenommen wurden und die ebenfalls über diesen Amtsarzt an den IFD gingen. Ich habe demnach Einschränkungen meiner geistigen / psychischen Belastbarkeit. Angekreuzt sind unter diesem Punkt alle aufgeführten Unterpunkte. Dazu gehören, neben dem Anpassungs- und Umstellungsvermögen, der Publikumsverkehr, Arbeit unter Zeitdruck und das Reaktionsvermögen. Weitere Belastungsfaktoren sind u.a. Lärm, häufig wechselnde Arbeitszeiten und unregelmäßige Pausen.

Am ersten Praktikumsplatz hatte der IFD nicht viel zu tun, meine Integrationsberater waren im Betrieb redundant, denn die Firma war auf Autisten spezialisiert und hatte eine eigenen Jobcoach, mit dem ich wunderbar zurechtkam. Allerdings kam es zu kommunikativen Schwierigkeiten mit meinem Integrationsberater. Denn dessen Nichtbeachtung der Hinweise von mir und meinem Psychotherapeuten, wie auf meine behinderungsbedingten Bedürfnisse besser eingegangen werden könnte, gepaart mit seiner persönlichkeitsbedingten und deswegen nicht veränderbaren Art, unter Verwendung einer überwiegend bildreichen, ausschweifenden, metaphernlastigen Sprache mit vielfältigem Einsatz nonverbaler Signale zu kommunizieren, führten zu vielen Missverständnissen, beidseitig zu einem hohen Anstrengungslevel, bei mir zu massivem Stresserleben, zunehmender Frustration und der Befürchtung, den Maßnahmeerfolg zu gefährden. Ich versuchte in Absprache mit meinem mich unterstützenden Umfeld (Psychotherapeut, Ergotherapeutin, Netzwerk Autismus, Psychiaterin) zwei Monate lang diese Schwierigkeiten mit ihm zu bewältigen, indem ich ihm erklärte, was die Gespräche bei mir aus welchen behinderungsbedingten Gründen auslösten, ihm als Lösung vorschlug, die Gespräche zu verkürzen oder deren Häufigkeit zu reduzieren. Dies lehte er ab. Ich versuchte, ihm in einem Dreiergespräch mit der Unterstützung meines Psychotherapeuten zu erklären, wo die kommunikativen Schwierigkeiten lagen, weil ich hoffte, dass er meinem Therapeuten mehr Gehör und Glauben schenken würde. Tat er nicht. Nachdem meine Lösungsideen keinen Erfolg zeigten und ich keine andere Möglichkeit mehr sah, wandte ich mich daraufhin an die Bereichsleitung und bat darum, mir einen anderen Integrationsberater zuzuteilen. In einem Übergabegespräch wurde der Beraterwechsel besprochen. Es wurde vereinbart, dass zukünftig meine neue Integrationsberaterin mit mir zusammen die Dokumentation durchführen sollte. Diese Absprache wurde nie umgesetzt. Wie sich mir nach Erhalt der Akte zeigte leider, denn deren Dokumentation hat viel Luft nach oben (RW), sogar die Bereichsleitung äußert sich in der Dokumentation ähnlich (siehe Blogbeitrag Akteneinsicht). Angesprochen wurde zudem, dass ich eine schriftliche Zusage der DRV wegen einer Verlängerung der Maßnahme über die im ersten Bescheid bewilligten sechs Monate hinaus benötigen würde, da die fehlende längerfristige Planbarkeit mich sehr belastete. Mir wurde zugesichert, dass in der Maßnahme mehrere Praktika möglich seien und ich einen anderen Praktikumsplatz erhalten würde, sollte der erste Praktikumsbetrieb mich nicht einstellen. Der erste Integrationsberater hatte nämlich gemeint, die Maßnahme wäre für ihn gescheitert, wenn ich im ersten Praktikum scheitern würde. Meine behinderungsbedingten Bedürfnisse wurden besprochen, ebenso, dass mir Transparenz in der Zusammenarbeit wichtig ist und mir unbedingt genau das gesagt werden müsse, was gemeint sei. Die Bereichsleitung und meine neue Integrationsberaterin sicherten mir zu, dass dies beachtet werden würde. Die Realität sah dann aber anders aus.

Beim zweiten Praktikumsplatz hätte ich tatsächlich die Unterstützung meiner Integrationsberaterin benötigt. Nur: Unterstützung war da bei IFD gerade aus – gleich zu Beginn des Praktikums erkrankte meine Integrationsberaterin und hatte danach einen Unfall, so dass sie länger ausfiel. Deren Vertretung, ironischerweise ausgerechnet die Bereichsleitung, die sich angeblich gut mit Autismus auskennt, agierte ohne Rücksprache mit mir und mutete mir innerhalb kurzer Zeit dermaßen viele Hin- und Hers, die Weiterführung des Praktikums1 betreffend zu, dass ich einfach nicht mehr hinterherkam mit meiner Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit. Dies hätte nicht verwundern sollen, war es doch so im Leistungsbild vermerkt. Eigentlich hätte ich erwartet, von Seiten des IFD auf Verständnis zu stoßen. Dem war aber nicht so, im Gegenteil.

Wie zu erwarten war – ansonsten wäre ich schließlich erst gar nicht beim IFD vorstellig geworden – gab es etwas, mit dem ich Schwierigkeiten bekam, es hatte mit Ehrlichkeit zu tun. Ich erhielt in diesem Praktikum nämlich die Aufgabe, Werbung zu machen, statt mir Aufgaben zu geben, für die ich, wie sich zeigte, geeigneter gewesen wäre. Weil bei einer vertrauensvollen Zusammenarbeit mit dem IFD Offenheit wichtig ist, wandte ich mich also an meine Integrationsberaterin und deren Vertretung und erklärt, dass und warum ich die denkbar schlechteste Wahl unter allen Mitarbeitern sei, ausgerechnet im Marketing eingesetzt zu werden. Meine Integrationsberaterin half mir jedoch nicht, dem Praktikumsbetrieb gegenüber zu erklären, wo meine Schwierigkeiten bei dieser Aufgabe lagen, sondern sagte zu mir, ich solle durchhalten und darauf warten, dass ich für mich geeignetere Aufgaben erhalten würde. Also versuchte ich mich als Werbetexterin und arbeitete mich autodidaktisch in das Thema Marketing ein. Letztendlich wegen der Corona-Pandemie über einen längeren Zeitraum andauernd und ausschließlich, entgegen dem, was im Praktikumsvertrag vereinbart war, denn wie bei so vielem, waren plötzlich alle Pläne Makulatur. Die ganzen ungeplanten und unplanbaren Veränderungen waren für mich eine große Belastung, der Praktikumsbetrieb hatte verständlicherweise plötzlich ganz andere Sorgen, als sich großartig um das Praktikum zu kümmern, meine Ansprechpartnerin im Betrieb war in Kurzarbeit, die Mitarbeiter größtenteils nicht mehr im Büro, sondern im Home-Office, der Betrieb konnte mir keinen eigenen Schreibtisch mehr zur Verfügung stellen, die neue Corona-Realität hatte alles überrollt. Da das Wesen der Werbung nicht ist, die Wahrheit zu verkünden, sondern euphemistisch und realitätsfern Dinge, die man verkaufen möchte, anzupreisen, hatte ich massive Schwierigkeiten mit der Aufgabe. Ich erhielt dann glücklicherweise die Chance zu zeigen, wo meine Stärken liegen, indem ich die E-Learnings rewievte. Leider gab es davon noch nicht viele und so hätte ich nur wieder Werbung machen können. Weitere Hinderungsgründe, dieses Praktikum in die Länge zu ziehen, waren neben fehlenden Aufgaben, für die man mich einsetzen hätte können, die schwierige Situation für die Firma, die Präsenzfortbildungen und -seminare anbot, die plötzlich nicht mehr besucht werden durften. Eine Umstellung auf Online-Seminare war nicht so schnell möglich und die Entwicklung eines neuen Standbeines im E-Learning Bereich lag noch in den Anfängen. Es gab in absehbarer Zukunft also realistisch keine Anstellungsaussichten für mich, was ich dem IFD auch so mitteilte. Meine Integrationsberaterin zeigte vollstes Verständnis – was sich in der Akte aber leider ganz anders liest. Das Praktikum endete also nach vier Monaten ohne Anstellung, .

Meine Integrationsberaterin meinte, es sei jetzt wirklich blöd gelaufen. Wegen all der Vorkommnisse war ich inzwischen ziemlich frustriert und fühlte mich vom IFD in meinen Bedürfnissen weder gesehen noch ernstgenommen. Meine Integrationsberaterin war sich jedoch keiner eigenen Versäumnisse bewusst und meinte, der IFD hätte überhaupt nichts falsch gemacht, ich müsse nach vorne schauen und wir hätten Erkenntnisse gewonnen. Vor allem ich hatte realistischere Erkenntnisse gewonnen, denn ich hatte nach einem knappen halben Jahr Bitten endlich Einsicht in meine Akte erhalten. Die größte Erkenntnis war, dass es eine schlechte Idee von mir gewesen war, während der Maßnahme immer wieder Dinge, die im Leistungsangebot zur Maßnahme stehen, vom IFD einzufordern. Denn das war mir offenbar überaus übel genommen worden. Nachdem ich in der Akte lesen musste, dass meine in meinen Augen berechtigten, denn so stand es ja im Leistungsangebot und im Gesetz, und damit meiner Ansicht nach keineswegs unrealistischen Forderungen als Schimpfen über den IFD dokumentiert worden waren, sagte ich nichts mehr in diese Richtung, sondern fokussierte mich auf meine Recherche wegen evtl. passender Praktikums- bzw. Arbeitsstellen und meine anstehenden Bewerbungsgespräche, denn meine eigenen Bemühungen um eine Stelle hatten im Unterschied zu den Bemühungen meiner Integrationsberaterin trotz der Corona-Pandemie zu vier Einladungen zu Vorstellungsgesprächen geführt. Offenbar war dies meiner Integrationsberaterin aber auch nicht recht, denn sie bat mich Anfang November darum, ihr acht Reflexionsfragen, die durchaus sinnvoll klangen, schriftlich zu beantworten. In dieser E-Mail schrieb sie, stets bereit zu sein, mir Hilfe anzubieten und mich zu unterstützen. Da ich ihr aber trotz allem noch vertraute, denn sie hatte immer wieder gesagt, sie würde an mich glauben, ich hätte so viele Kompetenzen und berufliche Fähigkeiten, reflektierte ich also in den folgenden vier Wochen systematisch und intensiv. In CC setzte ich die Vertretung. Ich erhilet von dieser Lesebestätigungen. Eine Reaktion meiner Integrationsberaterin erhielt ich nicht – wie auch, meine Integrationsberaterin war wieder einmal erkrankt und die Vertretung sagte mir im einzigen knapp 15minütigen Telefongespräch, das während dieser Zeit stattfand, sie wolle sich nicht einmischen. In was einmischen? Ist es nicht die Aufgabe einer Vertretung, zu vertreten?

Am 01. Dezember erhielt ich dann einen ganzen Haufen Lesebestätigungen von meiner Integrationsberaterin. Ich schrieb ihr, dass ich mich freuen würde, dass sie wieder gesund sei und wir uns dann ja am Donnerstag bei unserem Skype-Termin über meine Reflexion unterhalten könnten. Meine Integrationsberaterin antwortete mir, sie sei diese Woche nicht im Haus, das Gespräch müsse ausfallen, von einer Vertretung war erst gar nicht die Rede. In der kommenden Woche solle es ein Gespräch mit der Bereichsleitung, ihr und mir geben, um zu klären, wie es weiterginge. Denn ich würde vom IFD mehr erwarten als dieser leisten könne. Deswegen sei ein Abbruch der Maßnahme das Beste. Aha, weil ich mich an diesem Tag ausgerechnet mit dem Thema Vertrauen und Ehrlichkeit reflexiv auseinandergesetzt hatte, schickte ich ihr geschockt meine Reflexion als Antwort. Am 07.12. erhielt ich nachmittags eine E-Mail, in der ein Gesprächstermin für den 10.12. um 17 Uhr vorgeschlagen wurde. Am 10.12. vormittags kam dann nochmals eine E-Mail, in dem mit mitgeteilt wurde, dass es statt eines Skype-Gesprächs ein Webex-Gespräch mit ihr, der Bereichsleitung, der Vertretung und mir gäbe, damit das „Abschlussgespräch“ klappt. Vorher hatte es meine Integrationsberaterin nicht für notwendig erachtet, mir mitzuteilen, dass dieses Gespräch das Abschlussgespräch sein sollte. Soviel zu Vertrauen, Offenheit und Ehrlichkeit. Um 14:30 Uhr setzte der IFD dann noch einen drauf und schickte mir im Anhang einer E-Mail, in der stand, ich solle bis zum darauffolgenden Tag um 9:00 Uhr etwaige Änderungswünsche mitteilen, einen vernichtenden Bericht zur Kenntnisnahme. Mein Mann riet mir, ihn vor dem Gespräch nicht zu lesen. Das Gespräch selbst habe ich durchgestanden, wobei ich mich von meinem Mann unterstützen ließ, denn ich hielt es nicht für sinnvoll, alleine mit den drei Fachkräften des IFD zu sprechen, die im Umgang mit Autisten angeblich qualifiziert sind. In diesem Gespräch wurde mir ganz nebenbei gesagt, alles stünde im „Abschlussbericht“. Der Bericht des IFD ging trotz Interventionsversuch des Büros des bayrischen Behindertenbeauftragten noch am 11.12. an die DRV, angeblich laut Bereichsleitung wegen betrieblicher Abläufe. Mein Mann schrieb noch eine E-Mail an den Leiter des IFD und bat um ein klärendes Gespräch, dieser antwortete jedoch, dass das bisherige Vorgehen mit ihm abgestimmt gewesen sei. Laut Dokumentation des IFD, die mir inzwischen bis einschließlich 11.12. vorliegt, war übrigens mit der DRV vereinbart, bis spätestens 11.12. einen Bericht zu schicken. Zu einer vertrauensvollen Unterstützung durch den IFD hatte es weder gehört, mich darüber in Kenntnis zu setzen, noch mich über die Tatsache zu informieren, dass meine Integrationsberaterin schon am 30. Oktober mit der DRV telefoniert hatte, über was, hat sie selbstverständlich nicht dokumentiert. An dem Tag, an dem mich meine Integrationsberaterin darum bat, zu reflektieren, hatten wir davor ein Skype-Gespräch. Hierzu ist in der Akte zu lesen: „Ich spreche das Gespräch mit [Name der Sachbearbeiterin bei der DRV] nicht an“. Warum nur? Soviel zu einer tragfähigen und vertrauensvollen Unterstützung durch den IFD.

Der Bericht ging am 11.12. mit allen sachlichen Fehlern trotz meines mündlichen und schriftlichen Widerspruchs während und direkt nach dem letzten Skype-Gespräch an die DRV. Die mir in einem Brief vom 18.12., den ich erst am 23.12. im Briefkasten hatte, mitteilte, sie wolle die Maßnahme zum nächstmöglichen Zeitpunkt beenden. Dazu wurde mir eine äußerst realistische Frist (Achtung, kann Spuren von Sarkasmus enthalten) von zwei Wochen eingeräumt, mich zum Sachverhalt zu äußern. Ich dachte mir beim entsetzten Lesen: Frohe Weihnachten und Danke auch. Wie stellen sie sich das vor, ist das überhaupt zu schaffen mit all den Feiertagen?

Als meine „realitätsfernen Erwartungen“ an eine potentielle Stelle listet der IFD in seinem Bericht, den ich inzwischen gelesen habe übrigens auf:

  • Keine zu große Entfernung vom Wohnort: lange Anfahrtswege sind nicht möglich, da dies den Rahmen der täglichen Belastbarkeit sprengen würde
  • Erreichbarkeit mit den öffentlichen Verkehrsmitteln
  • Arbeitszeit 15 Stunden pro Woche auf 4 Tage verteilt (tatsächlich sind mit dem IFD 20 Stunden vereinbar gewesen, die ich während der gesamten Maßnahme auch leistete, streckenweise sogar mehr, wenn es im Betrieb notwendig war)
  • Nur zur Einarbeitung könne eine tägliche Anwesenheit im Betrieb gewährleistet werden, anschließend soll Homeoffice möglich sein
  • Während der Einarbeitung wird ein fester, reizarmer Arbeitsplatz benötigt, damit die Einhaltung der eigenen Ordnung gewährleistet ist; ein Großraumbüro sowie eine ungünstige Lage der Räumlichkeiten (z.B. an einer lauten Bahnstrecke) sind nicht geeignet
  • Bei einer Übernahme soll eine adäquate Bezahlung erfolgen

Wie auch der restliche Bericht, ist das eine Aneinanderreihung von aus dem Zusammenhang gerissenen Inhalten aus verschiedenen, vertrauensvollen Gesprächen mit meinen Integrationsberatern. Meine tatsächlichen Erwartungen an eine Arbeitsstelle sind:

  • Arbeitszeit 20 Stunden pro Woche auf 4 Tage verteilt mit flexiblen Arbeitszeiten, d.h. wenn es kurzfristig notwendig ist, mache ich Überstunden, die ich danach wieder abbauen kann. Sollte ich das Glück haben, mich in der Arbeit mit meinen Spezialinteressen beschäftigen zu können, dann sind mir evtl., bei sonst passenden Rahmenbedingungen, vermutlich auch mehr Wochenstunden möglich, was auszuprobieren wäre
  • eine zumutbare Entfernung vom Wohnort, idealerweise auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar oder baldmöglichst nach der Einarbeitung ein bis zwei Bürotage pro Woche und die restlichen Tage Arbeiten von zu Hause aus. Zumutbar regelt dabei das Gesetz. Für einen Arbeitgeber, der mir eine zu meinen Bedürfnissen passenden Arbeitsplatz und eine zu meinen Fähigkeiten passende Arbeitsaufgabe bietet, gehe ich gerne Kompromisse ein. Meine realistische Einschätzung dessen, was für mich langfristig an Fahrtzeit, Fahrweg bzw. Verkehrsmittel und Anwesenheit vor Ort leistbar ist, ist meiner Ansicht nach keine Verweigerung und kein realitätsfernes Luxusdenken, sondern ein dem Arbeitgeber gegenüber faires Vorgehen. Denn ich verkaufe meine Arbeitsleistung gegen Geld, d.h. ein Arbeitgeber hat ein Recht darauf, dass meine Leistungsfähigkeit möglichst hoch ist
  • eine möglichst reizarme Arbeitsumgebung. Wobei Reizarmut auch durch mich herstellbar ist, indem mir erlaubt wird, Kopfhörer bei der Arbeit zu tragen und z.B. das Licht an meine Bedürfnisse anzupassen, indem ich es auschalten darf oder eine abdunkelnde Brille tragen darf. Über das Integrationsamt könnte ein Arbeitgeber auch finanzielle Unterstützung für Hilfsmittel, wie Trennwände um meinen Schreibtisch oder abdunkelnde Jalousien beantragen
  • eine adäquate Bezahlung. Adäquat meint, dass ich ein meiner Arbeitsleistung und den mir entsehenden Fahrtkosten entsprechendes Gehalt erhalte, das zumindest oberhalb der Armutsgrenze ist und ich von diesem Gehalt leben könnte

Ich frage mich allen Ernstes, was daran so realitätsfern ist, dass es einer Wiedereingliederung in den ersten Arbeitsmarkt entgegenstünde. Das, was tatsächlich realitätsfern ist, ist der Bericht, den der IFD an den Kostenträger geschickt hat, um mich zu exkludieren. Was leider der Realität entspricht, ist die Vorgehensweise des IFD und dass sowohl die Bereichsleitung als auch die Integrationsberaterin es ablehnen, mit mir konstruktiv zusammenzuarbeiten.

Wegen meiner eigenen Erfahrungen rate ich jedem Autisten dringend davon ab, sich der realitätsfernen Erwartung hinzugeben, von diesem IFD adäquat unterstützt zu werden. Es war außerdem offenbar realitätsfern, zu erwarten, dass dieser IFD einen teilnehmeradäquaten Erprobungs- und Qualifizierungsplatz zur Verfügung stellt, der im Hinblick auf meine Behinderung, Leistungsfähigkeit, Eignung und Neigung individuell geeignet ist. Was die Integrationsberater, die ich kennengelernt habe auszeichnet ist, dass sie die oftmals traurige Realität in Institutionen zur Unterstützung von Autisten widerspiegelten, entweder keine Ahnung von Autismus zu haben oder ihre Kenntnisse höchstens dazu einzusetzen, es einem Autisten möglichst schwer zu machen. Auch im Jahr 2020 nach in Kraft treten der UN-Behindertenrechtskonvention ist es also realitätsfern, von Fachkräften dieses Integrationsfachdienstes, die vom Kostenträger viel Geld dafür erhielten, mich zu unterstützen und zu integrieren, zu erwarten, dass auf meine behinderungsbedingten Eigenschaften, meine behinderungsbedingte Kommunikation und meine behinderungsbedingten Bedürfnisse eingegangen wird. Vielleicht ist es realitätsfern die Erwartung zu haben, dass nicht ausschließlich ich mich anpassen muss, meine Behinderung „überwinden“ muss, um integrationswürdig zu sein. Ich hoffe, es gibt Integrationsfachdienste, die ihrem Namen mehr Ehre machen. Der, der mich hätte unterstützen sollen, sollte sich eher Exklusionsfachdienst nennen, das wäre meiner Meinung nach realitätsnäher.

1 zu den Hin und Hers der Weiterführung des zweiten Praktikums: Vereinbart mit meiner Integrationsberaterin war, dass es in der zweiten Woche nach Beginn des Praktikums den ersten Betriebsbesuch durch sie geben sollte. Ich begann das Praktikum am 02.03. und erhielt am 05.03. von meiner Integrationsberaterin eine E-Mail, in der sie schrieb, dass sie bis 13.03. krank sei und die Bereichsleitung die Vertretung übernähme. Ich schickte, wie vorab vereinbart, per E-Mail eine Rückmeldung über die erste Woche im Praktikum, setzte diese mir benannte Vertretung in CC und beschrieb die Hinweise auf zu erwartende Schwierigkeiten bei der Einstellung in dieser Firma, die sich in der ersten Arbeitswoche ergeben hatten. Darauf erhielt ich eine automatische Antwort, dass die Vertretung abwesend sei.
Am 11.03. bat ich den IFD per E-Mail um Unterstützung, weil Vereinbarungen im Praktikumsvertrag nicht eingehalten wurden. Ich erhielt erneut eine automatische Antwort mit dem Inhalt, dass die Vertretung erst am 16.03. wieder da sei. Sie schrieb mir an diesem Tag und insistierte, dass es sinnvoller wäre, auf meine Integrationsberaterin zu warten, die ab nächster Woche wieder da sein würde. Falls das nicht der Fall wäre, könne sie mir ab 23.03. ihre Unterstützung anbieten.
Am 17.03. sagte mir der Praktikumsbetrieb, dass der Praktikumsvertrag nicht verlängert werden würde. Dieser war nur bis 31.03. vereinbart worden, weil die Verlängerung der Maßnahme vom Kostenträger noch nicht schriftlich vorlag. Ich teile dem IFD am 21.03. mit, dass das Praktikum Ende März enden würde. Außerdem, dass Planbarkeit für mich wichtig sei und ich Probleme mit ständigen Veränderungen haben würde. Lösungsvorschlag von mir für die restlichen Praktikumstage waren wegen der Corona-Lage Homeoffice und Skype-Gespräche mit dem IFD. Meine Integrationsberaterin solle sich bei mir per E-Mail melden, wenn sie wieder da sei. Der Praktikumsbetrieb stellte den Mitarbeitern frei, wegen der Corona-Pandemie von zu Hause aus zu arbeiten, was ich ab 23.03. tat.
Am 23.03. erhielt ich eine E-Mail von der Vertretung, dass der Praktikumsvertrag nun doch verlängert werden würde, sie habe dies mit dem Praktikumsbetrieb so vereinbart. Inzwischen hatte ich die Zeit ab dem Ende des Praktikums jedoch bereits geplant, denn ich plane immer im Voraus. Da ich an diesem Tag eine Videotherapiesitzung bei meinem Psychotherapeuten hatte, besprach ich meine Schwierigkeiten mit kurzfristigen Veränderungen mit ihm. Er riet mir, dem IFD per E-Mail mitzuteilen, dass, inwiefern und weshalb die in sehr kurzer Zeit kommunizierten diametralen Veränderungen, auf die ich mich nicht mehr einstellen konnte, mich belasteten. Dies tat ich noch am selben Tag und bat darum, mich mit einzubeziehen und nicht über meinen Kopf hinweg Entscheidungen zu treffen, denn transparente Entscheidungsprozesse würden es mir erleichtern, mit Veränderungen umzugehen.
Am Tag darauf antwortet mir die Vertretung, in CC setzte sie den Leiter des IFD, dessen Stellvertreterin und meine Integrationsberaterin. Zwei der Personen waren bislang nicht an der Kommunikation beteiligt, ich fragte mich, weshalb sie plötzlich in CC auftauchten. Die Vertretung schrieb, dass der IFD derzeit keine Unterstützung bieten könne und schlug vor, das Praktikum während der Corona-Pandemie auszusetzen. Ich sollte mitteilen, was eine akzeptable Lösung wäre.
Das Hin und Her wegen des Praktikums und die Corona-Pandemie hatte zur Folge, dass es für mich keinerlei Planungssicherheit gab. Ich hatte die Befürchtung, dass die Vertretung ohne vorherige Absprache mit mir im Praktikumsbetrieb anrufen könnte und das Praktikum abbrechen könnte, da sie geschrieben hatte, dass bei jedem der Handlungsschritte des IFD mein Einverständnis vorausgesetzt worden sei. Außerdem schrieb die Vertretung noch, dass sie in meine Worte hineininterpretiert hätte, dass es mein Wunsch sei, das Praktikum abzubrechen. Obwohl ich dem IFD mehrfach und schriftlich mitgeteilt hatte, dass ich sage/schreibe, was ich meine und obwohl die Vertretung angeblich hinreichend zur Betreuung von Autisten qualifiziert war.
Der E-Mailverlauf zeigte mir deutlich, dass ich paradoxerweise offensichtlich Unterstützung dabei benötigte, mit dem IFD, der eigentlich mich im Praktikumsbetrieb hätte unterstützen sollte und Fachkenntnis zu meiner Behinderung haben hätte sollen, zu kommunizieren.
Also schrieb mein Mann am 25.03. eine E-Mail an die Vertretung, den Leiter des IFD – denn die Vertretung hatte diesen ja in CC gesetzt – und den Praktikumsbetrieb. Er stellte klar, dass ich das Praktikum weiterführen wolle und versuchte, Klarheit in die ganze Kommunikation zu bringen und mir die Zeit zu verschaffen, die ich brauchte, um Entscheidungen treffen zu können bzw. überhaupt antworten zu können.
Doch schon am nächsten Tag erhielt ich eine E-Mail vom Praktikumsbetrieb, in der stand, dass sie in Absprache mit der Vertretung eine Vertragsverlängerung für 3 Monate aufsetzen werde, um Kontinuität sicherzustellen. Unterhalb ihres Mailtextes waren mehrere E-Mails zu lesen, aus denen ersichtlich wurde, dass es bereits seit dem Vortag Verhandlungen zwischen der Vertretung und dem Praktikumsbetrieb wegen des Praktikumsvertrages gegeben hatte, ohne dass ich davon in Kenntnis gesetzt worden wäre oder gefragt worden wäre, ob ich mit den Konditionen des Vertrages einverstanden bin. Was ich nicht gewesen wäre, denn mit meiner Integrationsberaterin war vereinbart, dass ich bei einer Verlängerung wieder zu einer Viertagewoche zurückkehren hätte können, weil sie mit dem Betrieb, ohne mich zu fragen, für März eine Fünftagewoche vereinbart hatte. Zudem war dadurch für mich erkennbar, dass die Vertretung mich zwar gefragt hatte, was eine akzeptable Lösung wäre, aber nicht einmal 24 Stunden auf eine Antwort von mir gewartet hatte, sondern zum wiederholten Mal ohne vorherige Rücksprache mit mir agierte. Obwohl sie selbst sich bei ihren Antworten auf meine dringenden Bitten um Unterstützung im schnellsten Fall zwei Tage Zeit gelassen hatte

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Finde den Fehler

Ich habe viele Talente, breit gefächerte Fachkenntnisse, eine kaufmännische Ausbildung, ein erfolgreich abgeschlossenes Studium im pädagogischen Bereich und eine ganze Reihe Bescheinigungen über Fort- und Weiterbildungen quer über diverse Skills, die in der Arbeitswelt gefragt sind.

Aber die passende Stelle, eine, bei der ich längerfristig angestellt und langfristig arbeitsfähig geblieben bin, habe ich nie gefunden. Das liegt sicher auch an den Rahmenbedingungen, die am jeweiligen Arbeitsplatz vorherrschten. Nur ist das nur die halbe Wahrheit.

Ich weiß, dass ich kein einfacher Arbeitnehmer bin. Sondern ein unbequemer und zusätzlich jemand, der polarisierend wirkt. Ich hinterfrage alles, erkenne Autoritäten nicht qua Status an. Bei von mir als sinnlos empfundenen Arbeitsweisen und insbesondere bei Sachverhalten, die ich als ungerecht wahrnehme bzw. die tatsächlich Unrecht sind, mache ich nicht mit.

Und das schon von Anfang an. Während meines allerersten Ausbildungsversuches zur Versicherungskauffrau riet ein Ausbilder dazu, im Versicherungsfall erst einmal berechtigte Ansprüche von Kunden abzuwehren und darauf zu bauen, dass ein Großteil seine vertraglichen Rechte nicht einfordern würde. Damals waren Ausbildungsplätze noch rar und ich neige nicht zu Spontaneität, aber diese Vorgehensweise war für mich nicht mitgehbar. Auch wenn sie damit begründet wurde, dass die Versicherungsgesellschaft auf diese Weise wirtschaftlicher arbeiten könne und somit mir mein gutes Gehalt zahlen könne. Ich widersprach aufs Heftigste, kündigte, umgehend und kompromisslos, ich erschien von einem Tag auf den anderen nicht mehr am Ausbildungsplatz. Bis heute empfinde ich mein Verhalten als stimmig und richtig.

In der Rückschau kann ich sagen, dass nicht nur, für andere evtl. überhöhte, moralische Ansprüche, meine Schwierigkeiten mit Kommunikation und sozialer Interaktion, oder meine Bedürfnisse nach bestimmten, autismusfreundlichen Rahmenbedingungen am Arbeitsplatz der Grund dafür sind, dass ich bis heute daran scheiterte, im Arbeitsleben Fuß zu fassen. Ich denke, es liegt auch daran, dass ich ein besonderes Talent habe. Ich bin offenbar die geborene Fehlerfinderin: Mehr noch: Ich bin ein Fehlermagnet.

Egal wo ich auftauche, decke ich unweigerlich das, was schiefläuft, auf. In einem Team eskalieren Konflikte, die unsichtbar schwelten, Führungsschwäche von Vorgesetzten wird offenkundig. Qualitätsmängel, Fehlplanungen, Inkompetenz und Vertuschungsversuche werden sichtbar.

Und zwar nebenbei, ohne Vorsatz, aus Versehen, einfach nur, weil ich Dinge an- und ausspreche, Fragen stelle. Kein Problem, möchte man auf den ersten Blick meinen, wenn ich nicht zielsicher genau die Fragen stellen und die bislang ungesagten Dinge aussprechen oder auf Widersprüche hinweisen würde, von denen sich hinterher zeigt, dass sie Folgen haben, die ich gar nicht beabsichtigt hatte. Es geht mir nicht darum, dass ich recht haben will, querulatorisch veranlagt wäre oder andere bloßstellen möchte. Es passiert einfach. Das Einzige was hilft ist, dass ich gar nichts sage. Das ist aber in der Regel nicht gern gesehen. Und gerade in der Einarbeitungszeit wird erwartet, dass ein neuer Mitarbeiter Fragen stellt.

Mein Talent, Fehler zu finden, erstreckt sich auch auf unbelebte Sachen. Wenn ich mit Gerätschaften, mit Hard- und Software umgehe, die problemlos bei allen anderen funktionieren, tun sie das nach erstaunlich kurzer Zeit bei mir nicht mehr – nicht, weil ich das Zeug bewusst kaputtmache, sondern weil ich unter Garantie die eine Tastenkombination drücke, die einzige Reihenfolge, in der man die Hebel nicht bedienen darf, finde oder genau die unpassenden Buttons anklicke, bei denen alles abstürzt, sich aufhängt, abstirbt, den Geist aufgibt und erst mit erheblichem Aufwand wieder funktionsfähig wird.

Bis ich das Zeug in die Finger bekam, war das noch nie passiert und der potentielle „Fehler“ niemandem aufgefallen, weil keiner auf die Idee gekommen wäre, dass man genau diese Tastenkombination verwenden könnte, ausgerechnet in dieser Reihenfolge die Hebel bedienen oder tatsächlich den einen Button zu diesem Zeitpunkt anklicken könnte. Klar hat es auch etwas Gutes, ich decke mit diesem Talent auf, was der Hersteller unbedingt in Bedienungsanleitungen hätte schreiben bzw. hätte absichern müssen – nur funktioniert halt dooferweise das Zeug erstmal nicht mehr und zwar überwiegend dann, wenn es nicht hätte ausfallen dürfen, weil man es leider, leider genau zu dem Zeitpunkt dringend gebraucht hätte.

Mir hat man in meinem Leben schon einige Male zu oft gesagt, dass es erstaunlich ist, dass mir immer wieder Dinge passieren, die anderen Leuten niemals passieren. Wenn ich beteiligt bin, passieren Fehler. Das ist bei nichtzwischenmenschlichen Dingen am Arbeitsplatz aber nur dann wirklich eine Stärke und positiv, wenn ich dafür eingestellt worden wäre, die Gerätschaften oder die Hard- und Software zu testen.

Wenn die „Fehler“, die passieren, im zwischenmenschlichen Bereichen angesiedelt sind, ist das erfahrungsgemäß für mich persönlich immer negativ. Ich mache niemandem einen Vorwurf. Mir ist klar, dass es für Arbeitgeber unkomplizierter ist, den „Störfaktor“, also mich, zu entfernen, als sich mit den unter Umständen sehr unangenehmen Dingen zu beschäftigen, die unbeabsichtigt zum Vorschein kamen, eben weil ich die geborene Fehlerfinderin, ein Fehlermagnet bin.

Ich finde übrigens auch unweigerlich die Lücke im System, ohne überhaupt danach gesucht zu haben. Das kann sich enorm positiv auswirken, wenn sich dadurch eine tolle, vorher nicht gesehene, neue Möglichkeit ergibt. Ganz mies ist es aber, wenn ich deshalb durch sämtliche Maschen eines Hilfsangebotes falle, das für den Notfall da ist. Weil mir passiert, was sonst niemandem passiert. Was sich, im Nachhinein nachgeforscht, als eine Verkettung unglücklicher Umstände erwies, die dazu führte, dass ausgerechnet in meinem Notfall das Netz gerissen war (im übertragenen Sinne).

Ich kann diese besondere Fähigkeit, Fehler zu finden, bewusst anwenden und als Stärke definieren. Zum Beispiel beim Korrekturlesen. Aber ich kann sie nicht wirklich steuern. Selbst wenn ich es vermeiden möchte, die Fehler finden mich!

Es ist ein tolles Talent. Ich  möchte es nicht missen, aber Fakt ist: Diese Fähigkeit macht mich größtenteils tatsächlich inkompatibel für die allermeisten Arbeitsstellen.


Bildquelle: Andrew Martin (9. März 2017). URL https://pixabay.com/de/photos/fehler-nicht-gefunden-404-lego-4-2129569/


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Und täglich grüßt das Murmeltier…

Wenn ein Kleinkind laufen lernt, fällt es anfangs immer und immer wieder hin, weint vielleicht ein paar Mal, steht wieder auf, versucht es wieder

und wieder und wieder und wieder…

Es ist ein sich wiederholendes Scheitern, ein Frusterleben, aber irgendwann kann das Kind dann Laufen. Das funktioniert – im Normalfall.

Exkurs: Im Verlauf seines Lebens fällt der Mensch noch ab und zu hin, das passiert aber immer seltener und dann kommt eine lange Zeit, in der es gar nicht mehr passiert, es sei denn, der Mensch verpasst seinen Tiefenrezeptoren eine Auszeit mit Hilfe von (legalen) Drogen. Erst im hohen Alter wird der Schritt unsicherer, gen Lebensende nennt sich das Hinfallen dann Stürzen, bis der Hinfällige entweder ordentlich zu Tode stürzt oder bei unordentlichem Hinfallen in der Folge erst im Krankenhaus und dann im Rollstuhl oder sogar im Pflegeheim landet. Aber in dem Alter ist es dann ok für die Umwelt, dass man das Laufen nicht mehr schafft.

Im Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“ erlebt jemand eine ganze Zeit lang immer denselben Tag, bis zur vollkommenen Frustration, doch selbst Aufgeben ist keine Lösung. Er scheitert jedesmal an anderen Dingen, bis er es endlich gelernt hat, durch ständige Wiederholungen alles richtig zu machen, dann entkommt er der Zeitschleife und dem wiederholten Scheitern.

Das ganze Leben besteht aus Dingen, die man in vielen Wiederholungen lernt. Auch Arbeiten. Erst erhält man unrealistisches, quietschbuntes Plastikgerümpel oder ökologisch korrektes Spielzeug, mit dem man den kindlichem Nachahmungstrieb nutzend, die Erwachsenenwelt miniaturisiert imitiert und das Kind quasi spielerisch an die Arbeitswelt herangeführt wird. Ich denke in ersterem Fall an lärmmachende Mini-Fake-Werkzeuge aus Plastik für handwerklich Begabte, in der ökologischen Variante für zukünftige Einzelhandelskaufleute an die allgegenwärtigen Kaufläden nebst Zubehör – irrwitzigerweise wieder wenig ökologisch gibt es dazu essbares Zubehör in Minimengen, verpackt in den Originalen im Supermarkt nachempfundenen Miniplastiktütchen. Oder an die in allen Farben des Regenbogens erhältlichen (Back- und Bau)utensiliensen für den Sandkasten. Später lernt man dann in der Ausbildung  – quasi in einem größeren Sandkasten – das richtige Arbeiten.

Was beim Laufenlernen oder im Film funktioniert, kann ich leider nicht auf mich und auf das Lernen anderer, (über)lebensnotwendiger Kompetenzen, wie der Fähigkeit, im Arbeitsleben zu bestehen, übertragen. Ich habe nach vielen Umwegen einen Beruf gelernt, über die Zeit sogar mehrere Berufe. Ich habe mich manchmal erfolgreich beworben oder bin anderweitig zu all meinen Arbeitsstellen gekommen. Die ich verloren habe, ein ums andere Mal. Ich überstand die Probezeit nicht, wurde gekündigt oder kündigte selbst, weil ich eine neue, dem Anschein nach bessere Stelle für mich gefunden hatte. Oder der befristete Vertrag wurde nicht verlängert, es war keine Arbeit (mehr) da. Kann alles passieren.

Irgendwann konnte ich es mir selbst nicht mehr erklären, weshalb das bei mir offenbar nicht so wie bei allen anderen um mich herum lief. Warum ich die Handlungen der anderen nicht verstand und sie mich und mein Erleben ebenfalls nicht und weshalb ich an jedem Ausbildungs- und Arbeitsplatz Probleme bekam. Durch die Autismus-Diagnose erklärte sich mir vieles.

Exkurs: Mir ist es egal, ob man das jetzt Autismus nennt oder nicht – das sollen Fachkräfte unter sich ausmachen. Ich vermute inzwischen, dass nicht alles, was heute Autismus genannt wird, auch tatsächlich Autismus ist. Aber wie man es nennt, ist unwichtig – es ist die bislang beste Arbeitshypothese, die ich erhalten habe, um mein Erleben und auch mein wiederholtes Scheitern im Arbeitsleben nachvollziehen zu können.

Also versuchte ich es auf ein Neues, doch noch im Arbeitsleben Fuss zu fassen. Mit dem Wissen, das ich dank der Diagnosestellung über mich und meine Bedürfnisse hatte. Über eine mühsam erkämpfte Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben, der Unterstützten Beschäftigung mit dem Integrationsfachdienst als Unterstützung. Damit sollten eigentlich die Voraussetzungen geschaffen sein, dass sich für mich doch noch eine passende Nische am Arbeitsmarkt finden ließe – besser spät als nie. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Also gab ich mich der Hoffnung hin, dass Wiederholungen bekanntermaßen dem Üben dienen, bis man das Wiederholte irgendwann dann doch noch lernt. Und dann? Passierte es wieder. Beim ersten Mal noch durch äußere Umstände erklärbar: es gab einfach kein zu meinen fachlichen Qualifikationen passendes Projekt. Da kann man nichts machen. Ich bin dankbar für die Erfahrungen, die ich während meiner Zeit bei dieser Firma machen durfte.

Jetzt ist es zum zweiten Mal passiert. Auch dieser Wiederholungsversuch, über die Maßnahme eine Arbeitsstelle zu finden, ist gescheitert. Woran lag es diesmal? Meiner Meinung nach an einem Kernthema, der Kommunikation. Ich habe kommuniziert, in erster Linie schriftlich. Sogar mit der Unterstützung eines Nichtautisten. In Richtung Leistungserbringer und in Richtung Praktikumsbetrieb. Ich habe direkt und meiner Meinung nach klar, rechtzeitig, unmissverständlich und lösungsorientiert mitgeteilt, wo es hakt, was schief lief und wie es besser laufen würde. Ich habe um Unterstützung gebettelt. Ich habe Fachkräften, Vorgesetzten und Kollegen mitgeteilt, wo meine Stärken liegen, vorgeschlagen, mich bevorzugt in den Bereichen einzusetzen, wo ich meine besonderen Fähigkeiten bestmöglich einbringen kann und  – als ich trotzdem weiterhin ausgerechnet in den Bereichen, in denen ich  behinderungsbedingt meine Schwächen habe, eingesetzt wurde – gesagt, dass ich das langfristig nicht leisten können werde.

Auch mit Outing am Arbeitsplatz – das Unverständnis bleibt. Selbst mit eigenem Versuch, zu erklären, wie die Zusammenhänge sind, also einer Betriebsanleitung (diesmal nicht die Langversion, sondern einer in mehrere E-Mails unterteilten Auflistung, die insgesamt eine DIN A4 Seite nicht überstieg), und zusätzlich einem „Übersetzer“ in Form einer Fachkraft vom Integrationsfachdienst. Meiner Erfahrung nach passiert Folgendes: Im besten Fall hören die Fachkräfte, der Vorgesetzte, vielleicht noch der ein oder andere Kollege bei Erklärungen zu und/oder lesen, wo meine Stärken liegen, wo es Schwierigkeiten geben wird bzw. gibt und weshalb das so ist.

Aber sie merken es sich nicht. Ich vermute, dass selbst diese wenigen Infos einfach vergessen werden. Nicht nur wegen ihres, offensichtlich im Vergleich zu meinem, wirklich schlechteren Gedächtnis. Sondern schon deshalb, weil es für sie nicht nachvollziehbar ist, wo meine Probleme liegen, denn sie erkennen die Punkte nunmal nicht aus eigener Erfahrung als problematisch an.

Selbst wenn ich es nicht nur einmal, sondern wiederholt mitteile, dass und weshalb ich Probleme habe, macht es keinen Unterschied. Nach ein paar Tagen ist alles „normal“. Es läuft wie gehabt weiter, es geht niemand auf meine wiederholten Kommunikationsversuche ein. Demnach lernen komischerweise weder Fachkräfte noch Vorgesetzte und Kollegen aus Wiederholungen, wenn sie von mir kommen.

Ich versuche, damit klarzukommen. Ich versuche, aus meinen Erfahrungen zu lernen und Fehler nicht zu wiederholen. Aber ich tue mir sehr schwer damit, die Wiederholungen des Scheiterns im Arbeitsleben positiv zu sehen.

Ja, ich habe auch an diesem Arbeitsplatz fachlich neue Dinge mitgenommen, in erster Linie, mit für mich neuer Software autodidaktisch zurechtzukommen. Ich habe mitgenommen, dass ich, egal wie sehr ich mich anstrenge, einfach nicht multitaskingfähig bin. Ich habe nicht nur durch Versuch, sondern auch aus Fachliteratur zum Thema gelernt, dass ich außerdem die denkbar schlechteste Wahl bin fürs Marketing. Und Eines habe ich durch das wiederholte Üben jetzt endgültig gelernt: Ich passe tatsächlich nicht ins Team. Es funktioniert schlicht nicht. Woran auch immer es liegt, ich gebe es hiermit öffentlich auf, jemals wieder in irgendein Team passen zu wollen.

Vielleicht ist dieser sich ständig wiederholende Verlust der Arbeitsstelle aber ganz schlicht meine ureigene Schuld. Was, wenn es tatsächlich an mir liegt, an meiner Art, meinem Wesen, meiner Person? Denn wenn etwas immer wieder passiert, dann drängt sich der Gedanke von selbst auf, dass es ursächlich an mir liegt. Darüber werde ich weiter nachdenken und überlegen, was ich das nächste Mal noch anders machen kann. Leider verliere ich langsam die Hoffnung. Ich beginne zu zweifeln. Was, wenn ich es einfach nicht lernen werde, wenn ich jede Stelle verliere? Bis an das Regelarbeitslebensende?

Trotz alledem: Aufgeben ist keine Option – weder im Film noch im richtigen (Arbeits)leben.


Ein Kommentar

Kollege Asperger – als Autist in Lohn und Brot kommen und bleiben

Ich freue mich, dass J. Holbeins Reportage „Bitte nicht stören“ in der ZEIT online eine große Resonanz erhalten hat. Diese Reportage bereitet den Sachverhalt Vorurteile zu Autismus im Arbeitsleben dramaturgisch anhand eines konkreten Ereignisses aus meinem Leben auf. Um sie zu schreiben, hatte mich Herr Holbein an meinem ersten Praktikumstag bei auticon begleitet und sich für seinen Text einige Punkte aus meiner in diesem Blog veröffentlichten Auflistung „Asperger am Arbeitsplatz: Wie zeigt sich mein Autismus von A bis Z“ herausgesucht. Durch die Textform ergibt sich für Leser viel Interpretationsspielraum, denn diese Reportage gibt nicht den kompletten Hintergrund meiner Geschichte wieder.

Wer ganz viel dazu wissen möchte, ist eingeladen, hier auf meinem Blog einige der Ereignisse nachzulesen. Für alle anderen fasse ich relevante Hintergründe nochmal kurz zusammen:

Ich hatte mich Mitte 2015 beruflich verändert und mit einem auf zwei Jahre befristeten Arbeitsvertrag bei einem neuen Arbeitgeber angefangen zu arbeiten. Es hat sich erst mit Arbeitsantritt dort gezeigt, dass ich für diese Stelle denkbar ungeeignet war. Vorher hatte ich noch niemals eine Stelle mit so vielen Kollegen und diesen Rahmenbedingungen, daher fehlten mir Erfahrungswerte, denn ansonsten hätte ich diese Stelle gar nicht erst angenommen.

Erst durch die Arbeit dort kamen ganz klare Hinweise auf meine zugrundeliegenden Schwierigkeiten auf. Eine Kollegin dort vermutete auch richtig Autismus bei mir, was ich zuerst vehement abstritt, weil ich den einzigen mir bekannten Autisten als vollkommen anders als mich wahrnahm. Nach weiteren Hinweisen von anderer Seite wollte ich dann Ende 2015 wegen des im Raum stehenden Verdachts eine Antwort von Fachkräften und durchlief ein mehrere Monate dauerndes Diagnostikverfahren in einer Klinik, die Erfahrung mit der Diagnostik von Erwachsenen hatte.

Die Diagnose im August 2016 war auf der einen Seite befreiend, weil sie mir die bis dato passendste Arbeitshypothese lieferte, mit der ich mein bisheriges Leben und Erleben erklären konnte. Auf der anderen Seite war sie ein Schock, denn Autismus, das war mir klar, war nichts, das ich mit genügend Therapie oder mit Medikamenten wieder loswerden konnte. Auf diese Erkenntnis reagierte ich mit einer Depression.

Meine damalige Chefin vermutete selbst, dass ich Autistin sein könnte und war laut ihrer eigenen Aussage bei meinem „Outing“ von der Diagnose nicht überrascht. Ich habe einige Anfänger“fehler“ gemacht, wie eben diese Liste mit meinen Schwierigkeiten meinen Kollegen geben, wobei ich in dieser Auflistung explizit den Punkt Stärken mit aufgeführt hatte. Die Idee dazu klang damals sinnvoll, logisch und hilfreich. Sie passte nur halt leider nicht. Das lag aber m.E. nicht am Unwillen meiner Kollegen oder meiner Chefin, sondern in erster Linie an baulichen Voraussetzungen und nicht veränderbaren, vorgegebenen Abläufen in diesem Betätigungsfeld. Da bei dieser Stelle, wie ich heute weiß, niemals die richtigen Rahmenbedingungen für mich gegeben waren oder geschaffen werden hätten können, um dauerhaft arbeitsfähig zu bleiben, ist es gut, dass mein Vertrag nicht verlängert wurde.

Sehr bedauerlich finde ich, dass es auch ziemlich kritische Kommentare zu der Tatsache gab, dass ich nach meinem Praktikum dort nicht bei auticon München angestellt wurde. Dieses Praktikum bei auticon war ein Versuch. Ich bin sehr dankbar, dass ich es überhaupt zu den Bedingungen, die meine berufliche Rehabilitationsmaßnahme vorsieht, dort habe machen dürfen. Ich habe bei auticon erleben dürfen, wie wichtig für mich passende Rahmenbedingungen sind. Mein Praktikum wurde in beiderseitigem Einvernehmen und auf Wunsch des Integrationsfachdienstes beendet, weil es kein Folgeprojekt gab, bei dem man mich hätte einsetzen können. Meiner Meinung nach kann es auticon nicht angelastet werden, dass ich keine Programmierkenntnisse habe und so weit weg von München wohne – ich hätte eine tägliche vierstündige Fahrtzeit in öffentlichen Verkehrsmitteln aushalten müssen, um nach München und wieder heim zu kommen. Weil das nicht ging, konnte ich während des Praktikums an drei Tagen in der Woche zu Hause arbeiten. Die Verantwortlichen sind mir wirklich extrem entgegengekommen (Herzlichen Dank nochmals <3) und ich bin bei auticon nach wie vor im Bewerberpool. Falls sich doch einmal ein Kunde in meiner Region findet, bei dem meine Fähigkeiten gefragt sind, wollen sie sich bei mir melden. Ich persönlich finde die Idee von auticon und die in dieser Firma für Autisten vorgehaltene Unterstützung nach wie vor gut. Eine Firma im IT-Bereich ist halt leider nur für einen ganz kleinen Teil des Spektrums die Lösung, um im ersten Arbeitsmarkt angestellt zu werden.

Ich bin mir aber sicher, dass ich über die berufliche Rehabilitationsmaßnahme noch eine für mich passende Nische finden werde, in der ich meine vielfältigen Stärken und meine fachlichen Kompetenzen einbringen werde können.

Heute kenne ich viel mehr Autisten und wage zu behaupten, dass meine Geschichte des Schwierigkeiten-Habens-im-Arbeitsleben-fußzufassen in einigen Anteilen von anderen Menschen mit einer Autismus-Spektrum-Störung ähnlich erlebt wurde.

Obwohl sich im Bereich Autismus und Arbeit immer mehr tut (hier ein Beispiel bei dem Diversicon mit beteiligt ist), gibt es noch viel Aufklärungsbedarf bei potentiellen Arbeitgebern, bevor sich der erschreckend hohe Anteil der arbeitslosen und -suchenden Autisten mit zum Teil sehr hoher beruflicher Qualifikation verringert.


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Ungerechtigkeit von Amts wegen

Leid kann man eigentlich nicht vergleichen. Wie die Partnerin eines meiner Kinder einmal meinte: „Gerade weil wir alle in unserer eigenen Subjektivitätssuppe schwimmen, ist es völlig unsinnig, Anstrengungen und Mühe mit denen Anderer zu vergleichen, bzw. gar Leid zu relativieren und zu quantifizieren. „Wieviel mal Bus verpassen sind einmal Ebola?“ (guter Titel eines mittelmäßigen Poetry-Slam-Textes)“. Ämter und insbesondere Versorgungsämter müssen Leid, bzw. Behinderung aber nunmal vergleichen und auch quantifizieren, um Leid in Form von Graden der Behinderung festzustellen.

Dabei leide ich unter der Ungerechtigkeit der Entscheidungen der Ämter. Ich muss im Klageverfahren um einen höheren GdB als 30 kämpfen, weil ich laut Versorgungsamt nur leichte soziale Einschränkungen durch die seelische Störung Autismus habe. Und da bin ich nicht die Einzige. Gedankenkarrussel und Elodiylacurious ging es offenbar genauso.

Im Arztbericht, den ich nach der Diagnose erhielt, steht geschrieben, dass ich dank meines Autismus bereits seit Jahrzehnten deutliche Probleme im zwischenmenschlichen, sozialen Umfeld habe. Und in einem anderen Arztbrief ist die Rede davon, dass ich einen hohen Unterstützungsbedarf bei der Bewältigung von alltagsrelevanten Aufgaben habe. Und mich meine Einschränkungen im sozialen Kontakt an der Teilnahme am Berufsleben hindern.

Scheinbar bedeuten deutliche Probleme, hoher Unterstützungsbedarf und keine Teilhabe am Arbeitsleben für das Versorgungsamt, bei dem ich meinen Antrag auf Schwerbehinderung stellen musste, nur leichte Einschränkungen. Ich frage mich aber, warum die Versorgungsämter offenbar nicht überall nach den gleichen Kriterien entscheiden. Eine Bekannte aus der Selbsthilfegruppe, in die ich manchmal gehe, wenn ich Energie genug dafür habe, hat ebenfalls einen solchen Antrag gestellt. Sie arbeitet seit Jahren in Teilzeit, hat Kinder, lebt in einer Beziehung, engagiert sich ehrenamtlich, treibt regelmäßig Sport, besucht Gruppenveranstaltungen und ist diagnostizierte Autistin. Größere andere gesundheitliche Einschränkungen hat sie nicht, außer dem Diagnosebrief von der gleichen Fachambulanz, von der auch ich meinen Diagnosebrief erhielt, schickte sie keine medizinischen Unterlagen mit ihrem Antrag mit. Aber sie erhielt von ihrem Versorgungsamt nach sehr kurzer Bearbeitungszeit einen zeitlich nicht befristeten Schwerbehindertenausweis mit einem GdB von 50. Auch mein Sohn hat damals vom gleichen Versorgungsamt sofort einen Schwerbehindertenausweis mit GdB 50 erhalten. Es scheint davon abzuhängen, bei welchem Versorgungsamt man als Autist den Antrag stellt. Ich empfinde das als nicht gerecht.

Das Arbeitsamt hat mich immerhin gleichgestellt. Und das Rentenamt schrieb mir letzte Woche, dass ich seit Anfang letzten Jahres voll erwerbsgemindert bin – bis Anfang nächsten Jahres. Sie weisen mich darauf hin, dass der Rentenanspruch befristet ist, weil es nach den medizinischen Untersuchungsbefunden nicht unwahrscheinlich ist, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden kann. Ah schön, das zu lesen, was mich interessieren würde ist, wie das vonstattengehen soll. Ich vermute, meine Autismus-Spektrum-Störung ist Anfang nächsten Jahres noch nicht ausgeheilt. Nächstes Jahr schaffe ich es wahrscheinlich genauso wenig, wie all die Jahre zuvor, vollschichtig erwerbsfähig zu sein geschweige denn zu bleiben. Denn ich vermute, autistengerechte Arbeitsstellen wird es dann auch nicht mehr geben als heute.

Seit November erhalte ich also Rente, die aber leider, leider vorläufig nicht ausbezahlt wird. Aha. Und wovon bitte soll ich leben? Mal ganz abgesehen davon, dass man von der Rente eher nicht leben kann. Ich bin ein klarer Fall von Altersarmut. Das liegt an meiner gebrochenen Erwerbsbiografie, die ich dank des mitgeschickten Versicherungsverlaufes auf ziemlich vielen Seiten nachvollziehen kann und die ziemlich wenig Rentenpunkte ergibt – trotz Versorgungsausgleich, Mindestentgeltpunktanhebung und sonstiger Zuschläge. Und trotz Abitur und einem abgeschlossenen Studium. Aus diesem Versicherungsverlauf kann jeder Sachbearbeiter auch sehr gut erkennen, dass ich Zeit meines Lebens nicht fähig war, eine Arbeitsstelle längere Zeit zu behalten, geschweige denn, Vollzeit erwerbstätig zu sein. Und auch, dass ich dem Sozialstaat deshalb trotzdem nur einen Monat und drei Tage lang finanziell zur Last gefallen bin.

Gut, dass mich meine Familie immer unterstützt hat, wofür ich ihr unendlich dankbar bin. Ich bin unglaublich froh, dank meines Ehemannes auch heute noch Unterstützung bei Arztbesuchen, Behördengängen und allgemein im alltagspraktischen Dingen zu erhalten. Dass ich ohne Unterstützung zurechtkomme, meinen nur die Ämter. So gesehen habe ich einen Fehler gemacht, nie vorher Unterstützungsleistungen beantragt zu haben – nur: Wie hätte ich das ohne die Autismus-Diagnose machen sollen? Hingehen und sagen: Lieber Sachbearbeiter, leider bekomme ich das ganz normale Leben einfach nicht hin. Ich kann Ihnen auch nicht erklären, weshalb das so ist. Aber unterstützen Sie mich doch bitte mal.

Als ich endlich erfahren hatte, weshalb das so ist und eine Diagnose hatte, habe ich genau das versucht: Unterstützungsleistungen zu erhalten. Der beantragte Nachteilsausgleich im Studium wurde auch nach Widerspruch nicht gewährt. Dass das Rentenamt mich nicht beim Finden einer neuen Arbeitsstelle unterstützen wollte, sondern lieber in Rente schickte, empfinde ich immer noch als ungerecht. In Endeffekt vertagt die DRV das Problem aber nur, weil meine Rente befristet ist. Ich bin gespannt, ob sie mich dann Anfang nächsten Jahres dabei unterstützen werden, eine neue Arbeitsstelle zu finden.

Ich denke: Wenn das Versorgungsamt mir schon bescheidet, ich hätte keine anhaltenden schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten, die eine umfassende Unterstützung und Förderung bei der Integration in verschiedene Lebensbereiche erfordern würden, dann sollen sie mir bitte erklären, weshalb das Rentenamt mich zwangsverrentet. Oder inwiefern es nur leichte soziale Anpassungsschwierigkeiten sind, wenn mein soziales Umfeld seit meiner frühen Kindheit nahezu leer ist, ich auch im Alter von 53 Jahren nicht ohne meinen Mann Behördengänge erledigen kann, er für mich telefonische Terminabsprachen erledigen muss. Wenn ich noch bei keiner Arbeitsstelle soziale Kontakte habe knüpfen können, mir von Chefs wiederholt soziale Anpassungsfähigkeit, soziale Kompetenzen und Teampassung abgesprochen wurden, ich nicht längerfristig im Arbeitsleben zu integrieren bin, obwohl ich mich wirklich immer um Anpassung bemüht habe. Wenn ich immer psychisch und körperlich krank und schließlich arbeitsunfähig geworden bin, nachdem ich mal wieder eine Arbeitsstelle gefunden hatte, was selten genug der Fall war. Wenn ich nach nur sechs Stunden an nur vier Tagen im Büro so energielos war, dass ich meine drei freien Tage am Stück dazu brauchte, um mich schlafend und auf der Couch zusammenbrechend so weit zu erholen, damit ich am Montag wieder in der Arbeit erscheinen konnte. Wenn ich in meiner Freizeit nicht fähig bin, die Dinge zu tun, bei denen Nichtautisten sich in ihrer Freizeit erholen, weil viele Freizeitbeschäftigungen und hier insbesondere die, die soziale Anpassungsleistungen verlangen, für mich aus Energiemangel und Überlastungsgründen leider nicht möglich sind. Wenn ich erst in unüblich hohem Alter ein Studium geschafft habe, und zwar erst, nachdem ein Studium durch den Bologna-Prozess und die deshalb erfolgte Umstellung auf Bachelorstudiengänge soweit verschult wurde, dass für mich genügend von außen vorgegebene Strukturen vorhanden waren, um es mit der massiven Unterstützung durch meinen Mann dann endlich doch noch nach insgesamt 17 Hochschulsemestern zu schaffen. Wobei ich auch im Studium immer schon große Probleme bei Gruppenarbeiten und in der Kommunikation mit Kommilitoninnen hatte. All das würde ich schon unter mittlere soziale Anpassungsschwierigkeiten subsummieren und sagen, dass ich darunter leide oder gelitten habe.

Autisten wird in der Fachliteratur oft nachgesagt, sie sähen statt des großen Ganzen nur Details. Ich sitze kopfschüttelnd hier mit all meinen amtlichen Bescheiden. Die einesteils detailliert behaupten, ich sei nicht schwerbehindert, weil ich keine anhaltenden sozialen Anpassungsschwierigkeiten hätte, die eine umfassende Unterstützung und Förderung bei der Integration in verschiedene Lebensbereiche erfordern würden. Andererseits steht da, ich sei einem Schwerbehinderten gleichzustellen, um wenigstens im Bereich der Arbeit überhaupt integriert werden zu können und außerdem derzeit gar nicht integrierbar, sondern wegen all meiner (sozialen Anpassungs)schwierigkeiten sogar voll erwerbsgemindert. Ich kann einfach nicht nachvollziehen, weshalb die zuständigen Ämter sich nicht zusammensetzen und das große Ganze betrachten. Ich bin nicht nur Zeit meines Lebens wegen (sozialer) Anpassungschwierigkeiten behindert und leide sogar nach außen sichtbar darunter. Sondern ich werde zusätzlich von Amts wegen durch Ungerechtigkeit behindert, worunter ich ebenfalls leide. Ich verstehe wirklich nicht, weshalb von Amt zu Amt scheinbar willkürlich statt (in meinen Augen) gerecht entschieden werden kann.


Ein Kommentar

Die Sache mit der Akzeptanz

Mein Therapeut spricht öfter von Akzeptanz. Die mir in seinen Augen in einigen Bereichen fehlt. Unter anderem in Hinblick auf die Diagnose einer Autismus-Spektrum-Störung und die inzwischen immer gravierenderen Folgen, die seither in Zusammenhang damit entstanden sind. Akzeptanz, was heißt das eigentlich? Laut Wikipedia ist es die freiwillige und aktive Bereitschaft, etwas zu akzeptieren, damit einverstanden zu sein, etwas hinzunehmen und das Gegenteil von Ablehnung. Erreicht werden kann Akzeptanz durch Verstehen, Ignoranz oder Resignation.

Im Fall der Diagnose habe ich den Weg des Verstehens gewählt und ich meine, sie akzeptiert zu haben. Ich habe mich freiwillig zur hiesigen Autismusambulanz begeben, um von Fachleuten beurteilen zu lassen, ob ich Autistin bin oder nicht. Gut, ich hatte die Diagnose nicht sofort freudig angenommen. Zweifel blieben, die ich neben anderen Zielen durch meinen Aufenthalt in der Tagklinik für Störungen der sozialen Interaktion zerstreuen wollte. Aber nachdem ich mich mit dem Thema auf zuerst sowohl anekdotischer als auch wissenschaftlicher, und nach dem Kennenlernen von mehr und mehr Autisten auch auf empirischer Basis intensiv beschäftigt habe, erkenne ich die Meinung der Fachärzte an, wohl tatsächlich zum Spektrum zu gehören. Ich weiß nicht inwiefern es einer Akzeptanz widerspricht, dass ich mir darüber bewusst bin, dass die Diagnose nur eine Zuschreibung ist, die dem derzeitigen medizinischen Kenntnisstand entspricht. Wer weiß schon, welche Diagnose ich in 15 Jahren erhalten würde? Meine Skepsis in Hinblick auf Diagnosen erscheint mir angesichts meiner Geschichte aber verständlich.

Diese Diagnose dient mir als zur Zeit beste Arbeitshypothese, um mir mein Verhalten zu erklären und viele Vorkommnisse retrospektiv besser zu verstehen. Ich muss mich nicht mehr verzweifelt fragen, was so falsch an mir ist. Sondern ich kann meinen Blick darauf richten, zu verstehen, wie ich bin und nachzuvollziehen, weshalb ich so bin, wie ich bin. Immer mehr rücken dabei für mich meine Stärken in den Vordergrund und ich sehe meine Schwächen nicht mehr als persönliches Versagen, sondern als nachvollziehbare Ergebnisse meines Lebens und meiner autistischen Wahrnehmung und deren Verarbeitung. An manchen Schwächen kann ich arbeiten, an anderen nicht. Die Akzeptanz der Diagnose erleichtert mir dabei die Unterscheidung, wo sich der Aufwand lohnt und sie erleichtert es mir, meine Begrenztheit dabei einzusehen.

Bei der Suche nach einer autistengerechten Arbeitsstelle und der Auseinandersetzung mit den Behörden ist die Akzeptanz schwieriger und ich muss eher den Weg der Resignation gehen. Immer und immer wieder Schwierigkeiten wegen fehlgeschlagener Kommunikation, Missverständnissen und Schwierigkeiten mit den sozialen Regeln am Arbeitsplatz zu bekommen, kann ich nicht ignorieren. Dass es so war, immer noch ist und wahrscheinlich auch in Zukunft so sein wird, muss ich annehmen. Ich musste hinnehmen, wieder einmal einen Arbeitsplatz zu verlieren. Die mir gegenüber vertretene Ansicht, dass ich selbst für meine Lebensumstände verantwortlich bin impliziert, dass ich etwas an diesen Umständen ändern kann. Beim Arbeitsplatz ist das so eine Sache. Akzeptanz bedeutet nämlich auch, dass ich die Realität, die mich umgibt, bewusst wahrnehme und sie anerkenne. Und ich nehme überaus bewusst wahr, dass es leider sehr wenig Arbeitsplätze gibt, die für mich passende Rahmenbedingungen haben. Ich muss anerkennen, dass ich dagegen eher nichts unternehmen kann. Ich kann offen mit der Diagnose umgehen und mich bei verfügbaren passenden Arbeitgebern wie auticon bewerben. Ich kann mich bemühen, mich soweit es mir möglich ist, anzupassen, allerdings möchte ich das nicht mehr auf Kosten meiner Gesundheit machen. Aber ansonsten kann ich an der Situation nichts ändern. Ich hoffe, dass sich in Zukunft etwas an der hohen Arbeitslosenquote von Autisten zum Besseren hin verändert und dass mehr Arbeitgeber Menschen wie mich einstellen wollen.

Ich habe akzeptiert, dass ich Unterstützung bei der Bewältigung dieses Teils meines Lebens benötige. Ich hatte deshalb auf Anraten der Arbeitsamt-Sachbearbeiterin freiwillig bei der Deutschen Rentenversicherung einen Antrag auf berufliche Rehabilitation gestellt. Das Ergebnis war zwar eine Bewilligung der Leistungen dem Grunde nach, aber ein Kampf um die Bewilligung einer Maßnahme bei einem potentiellen Arbeitgeber und neuerdings eine Umdeutung des Antrages auf Leistungen zur Teilhabe in einen Rentenantrag. Die Deutschen Rentenversicherung stellte aufgrund der vorliegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen und der damit verbundenen Funktionseinschränkungen eine rückwirkende volle Erwerbsminderung auf Zeit fest.

In etlichen Forenbeiträgen las ich, dass viele erfolglos darum kämpfen, eine solche Rente zu erhalten. Und mir wird sie einfach so gewährt. Mir ist klar, dass mein Ringen um Akzeptanz hier wie ein Luxusproblem erscheint. Aber mein Ziel beim Stellen des Antrages auf berufliche Teilhabe am Arbeitsleben war es, Unterstützung dabei zu erhalten, eine Stelle zu finden, die Rahmenbedingungen bietet, unter denen ich langfristig meine Leistungsfähigkeit erhalten kann. Ich will arbeiten, möchte meine umfangreichen Kenntnisse anwenden dürfen, weiß aber mittlerweile aus Erfahrung, dass das nur unter bestimmten Rahmenbedingungen möglich ist. Jetzt muss ich akzeptieren, dass eine Unterstützung bei der Suche nach einem Arbeitsplatz abgelehnt wurde. Die psychotherapeutisch verstandene Akzeptanz dieser Erwerbsminderungsrente als Akzeptanz des Unvermeidbaren fällt mir wirklich schwer. Denn ich selbst sehe die Unvermeidbarkeit nicht.

Was ich wahrnehme, ist mein begrenzter Einfluss auf die Entscheidungen der Behörden, die ich zu akzeptieren habe. In meinem Fall scheint der Grundsatz Reha vor Rente nicht zu gelten. Neben der resignativen Akzeptanz dieser Entscheidung erlaube ich mir, Wut darüber zu empfinden, dass es nach meinem Empfinden nur ums Geld geht. Zum einen hat die Krankenkasse ein Interesse daran, dass ich Rente erhalte, denn damit besteht ein Erstattungsanspruch gegenüber einem anderen Sozialversicherungsträger und sie muss kein Krankengeld mehr an mich zahlen. Zum anderen hat die Deutsche Rentenversicherung ebenfalls Interesse daran, denn mich in eine Erwerbsminderungsrente zu schicken, kostet die Solidargemeinschaft ihrer Ansicht nach nicht so viel, wie es kosten würde, mich dabei zu unterstützen, beruflich teilzuhaben. Die Behörden liegen meiner Ansicht nach aber falsch in ihrer Einschätzung, dass es billiger ist, mich nach § 116 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI in Rente zu schicken. Eine verminderte Erwerbsfähigkeit habe ich bereits mein Leben lang. Aber ich habe nicht gar keine Erwerbsfähigkeit, sondern es wäre nur die Akzeptanz notwendig, dass es passende Rahmenbedingungen und eine gewisse Unterstützung braucht, sie zu finden, damit ich mein in manchen Bereichen überdurchschnittliches Leistungsvermögen gewinnbringend für die Solidargemeinschaft einbringen kann. Im Moment bleibt mir nichts anderes übrig, als zu akzeptieren, unverhofft Frührentnerin geworden zu sein, selbst wenn ich nicht verstehe, wieso. Die auch vorhandenen Vorteile zu sehen und das Beste daraus zu machen.

Als Resümee aber bleibt: Ich meine, dass nicht nur Akzeptanz von meiner Seite notwendig ist. Und ich meine, mir fehlt es gar nicht so sehr an Akzeptanz, sondern vielmehr an Handlungsmöglichkeiten.


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Tage der Überforderung – muss das denn wirklich sein?

Es ist frustrierend, immer und immer wieder dabei Probleme zu haben, wenn ich mich um (gesetzlich garantierte) Unterstützungsleistungen bemühe, indem ich Krankengeld beantrage und einen Antrag auf berufliche Rehabilitation stelle. Ich empfinde es als ungerecht, wie mit mir umgegangen wird. Und ich verstehe es nicht. Denn es ist unlogisch. Nach meinem Verständnis sollte meiner Krankenkasse daran gelegen sein, dass ich schnellstmöglich gesund werde. Und das Ziel der beruflichen Rehabilitation sollte darin liegen, dass ich schnellstmöglich wieder eine Stelle finde. Trotz meiner Schwierigkeiten, die ich mir nicht ausgesucht habe und die ich auch nicht vorsätzlich herbeigeführt habe. Ich kann nichts dafür, Autistin zu sein und ich kann auch nichts dafür, dass ich eine Depression habe.

Heute ist wieder so ein Tag, an dem ich mich frage, warum es mir bitte so schwer gemacht werden muss. In der Post war ein Brief meiner Krankenkasse, in dem ich aufgefordert werde, bis 12.10. einen Befundbericht meiner behandelnden Ärztin einzureichen, andernfalls wird mir das Krankengeld verwehrt. Selbst wenn meine Ärztin es schafft, diesen Befundbericht heute noch zu schreiben, wovon nicht auszugehen ist, ist die Frist zu kurz. Erfahrungsgemäß dauert es mehrere Werktage, bis Post von der medbo bei mir ankommt und dann muss ich diesen Bericht noch zur Krankenkasse weiterschicken. Das hätte sich die Sachbearbeiterin bei der Krankenkasse auch selbst ausrechnen können. Ich frage mich, was so eine Fristsetzung für einen Sinn hat. Ich meine, das führt auch beim nichtautistischen Versicherten zu einem massivem Stresserleben und Existenzängsten. Selbst völlig ohne Kenntnis meiner Diagnosen hätte klar sein müssen, dass dieses Schreiben garantiert nicht gesundheitsförderlich ist.

Ich habe eine mir zugeteilte Reha-Sachbearbeiterin bei der Deutschen Rentenversicherung, die meine Diagnosen kennt. Meiner Ansicht nach hat sie die Pflicht, sich darüber zu informieren, wenn sie bisher keine Kenntnis der damit einhergehenden Behinderungen hat, um mich bestmöglich unterstützen zu können. Ich frage mich, warum sie sich dann so denkbar kontraproduktiv verhält?

Den Termin zum ersten Beratungsgespräch an einem Donnerstag im August hatte sie äußerst kurzfristig per Mail einen Tag vorher wegen „unvorhersehbarer Gründe“ abgesagt und auf Freitag verlegt. Obwohl mein Mann extra Urlaub für diesen Termin genommen hatte und ich mich auf den Termin eingestellt hatte.

Im Beratungsgespräch hatte sie mir nur eine Maßnahme vorgeschlagen, deren Rahmenbedingungen mir nicht autistenfreundlich erschienen. Auf meine Rückfragen zu diesen Rahmenbedingungen erhielt ich von ihr für mich undurchführbare Lösungsvorschläge. Ich könne unter der Woche im Wohnheim wohnen. Die Betreuung erfolge durch wechselnde Sozialpädagogen. Es werde besonderen Wert auf viele betriebliche Praktika in möglichst vielen unterschiedlichen Betrieben und Werkstätten gelegt, um meine Belastungsfähigkeit wiederherzustellen. Bei diesem Szenario war es fast schon egal, dass mich zusätzlich die beiden Worte Betreuung und Werkstätten massiv verunsicherten. Meine Nachfrage, inwiefern mir diese Maßnahme als autistischer Akademikerin helfen solle, wieder im Berufsleben integriert zu werden, ließ meine Sachbearbeiterin offen. Stattdessen meinte sie, sie könne im Moment eh nichts für mich tun.

Zu solchen Terminen muss mein Mann mich immer begleiten, weil ich oft Schwierigkeiten habe, adäquat zu reagieren, wenn ich Unvorhergesehenes gefragt werde oder ich nicht verständlich meine Anliegen übermitteln kann. Wir hatten wie immer ausgemacht, dass er das Gespräch übernehmen würde, wenn ich ihm ein vorher vereinbartes Zeichen geben würde oder er mir ein Zeichen geben würde, wenn er den Eindruck bekäme, dass Missverständnisse entstünden. Den größten Teil der Zeit redete sie aber sowieso nur mit meinem Mann. Meine Sachbearbeiterin behauptete, ich müsse zuerst einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente stellen, vorher wäre sie sowieso nicht für mich zuständig. Diesen Antrag könne ich allerdings nicht bei ihr, sondern müsse ihn bei meiner Heimatgemeinde stellen. Warum erklärte sie nicht. Mein Mann signalisierte mir zu diesem Zeitpunkt, dass ich nicht mehr nachfragen solle und beendete das Gespräch. Draußen erklärte er mir dann, dass er nicht den Eindruck gehabt hätte, dass diese Sachbearbeiterin mich unterstützen wolle. Er meinte, ich sollte dann einfach möglichst schnell diesen Antrag stellen.

Bei dem Versuch, am Montag nach dem Beratungsgespräch ohne die Unterstützung meines Mannes – der musste schließlich arbeiten – diesen Antrag abzugeben, fragte der Sachbearbeiter in der Gemeinde telefonisch bei der Sachbearbeiterin in der DRV nach, weshalb ich eigentlich einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente stellen müsse. Ihre Antwort, die ich mithören konnte war: „Das stimmt so nicht, die Dame will einen Antrag stellen“. Diese Aussage war definitiv unrichtig. Ich hatte bei dem Beratungsgespräch nicht gesagt, ich will einen Antrag stellen, das Gespräch war erst drei Tage her, ich erinnerte mich sehr genau an alles, was besprochen wurde. Der Sachbearbeiter in der Gemeinde riet mir, keinen Antrag auf Erwerbsminderungsrente zu stellen, sondern erst eine Kontenklärung vornehmen zu lassen. Er erklärte mir insbesondere die Nachteile einer solchen Antragstellung in meiner Situation. Ich war aber mit der Absicht gekommen, den übers Wochenende ausgefüllten Antrag abzugeben und nicht so flexibel, dass ich sofort froh über seinen Rat war. Ich stand überfordert im Raum mit meinem Antrag in der Hand und begann zu heulen. Für eine erwachsene Frau von 52 Jahren ganz sicher kein adäquates Sozialverhalten. Leider passiert mir so etwas immer wieder, weshalb ich es nach Möglichkeit vermeide, mich ohne Unterstützung in solche Situationen zu begeben.

Ich hatte mich noch während meiner Zeit in der TKSI bei auticon beworben. Sie hatten zwar bisher kein Projekt, bei dem sie mich einsetzen hätten können, schlugen mir aber vor, an einer Vorbereitungswoche teilzunehmen. Ich solle vorher bitte in Erfahrung bringen, ob meine Teilnahme als Maßnahme zur beruflichen Eingliederung beim Arbeitgeber gelten würde.

Ich fragte beim Arbeitsamt nach, wurde jedoch an die DRV verwiesen, weil beim Arbeitsamt wegen meines Reha-Antrages ein Förderverbot bestünde. Am 02. September schrieb ich eine E-Mail an meine Sachbearbeiterin, in der ich sie davon in Kenntnis setzte, dass ich in den kommenden Wochen mit meinem Mann im Urlaub wäre und im Ausland nur eingeschränkt erreichbar sei. Am 04. September erhielt ich von ihr einen Einzeiler ohne Anrede oder Grußformel, in der ich nach meiner Versicherungsnummer gefragt wurde. Ich wunderte mich, wieso ausgerechnet meine DRV-Beraterin meine Sozialversicherungsnummer nicht hat, obwohl diese links oben auf dem Einladungschreiben zum Beratungsgespräch gestanden hatte? Vielleicht meinte sie ja auch meine Krankenversicherungsnummer? Aber die hätte sie von der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, die ich ihr in meiner Anfragemail im Anhang mitgesendet hatte ablesen können. Ich fragte meinen Mann, weshalb ich zwar gelernt hatte, dass E-Mails immer mit Anrede und Grußformel am Ende zu schreiben sind, es in einer Versicherung aber scheinbar unüblich zu sein schien, sich an diese Gepflogenheiten zu halten? Ich schrieb also am 07. September eine Antwortmail, in der ich ihr sowohl meine Sozialversicherungsnummer, als auch meine Krankenversicherungsnummer mitteilte.

Zurück aus dem Urlaub hatte ich immer noch keine Antwort, die Vorbereitungswoche bei auticon soll aber schon am 11. Oktober beginnen. Ich besprach bei meinem nächsten Arzttermin mit meiner Ärztin, wie es weitergehen sollte. Sie hat die Teilnahme an der Maßnahme bei auticon trotz weiterer Krankschreibung befürwortet. Ich bin wegen Autismus und Depressionen krank geschrieben. Mit meiner Teilnahme an dieser Maßnahme tue ich laut ihr aktiv etwas gegen die Depression.

Ich schickte der Sachbearbeiterin bei der DRV heute eine zweite Anfrage mit der Bitte, mir bis spätestens 10. Oktober zu antworten. Ihre Antwort bekam ich umgehend: Die Anfrage werde im Team bearbeitet, sie hält eine Teilnahme an der Vorbereitungswoche aber wegen meiner Krankschreibung nicht für empfehlenswert. Eine Woche vor Beginn noch keine Antwort der DRV auf meine Anfrage zu haben, ist für mich sehr belastend, weil das viel zu kurzfristig ist. Ich habe so keine Planungssicherheit. Und warum empfiehlt mir meine eigene Sachbearbeiterin, dass ich nicht an der Vorbereitungswoche teilnehmen soll? Ich bemühe mich selbständig um eine Lösung meiner beruflichen Situation und kümmere mich aktiv darum, eine neue Stelle zu finden. Ich erhalte bei einer Firma eine Chance, die nachweislich geeignete Arbeitsplätze für Autisten anbietet. Und dann soll ich diese Chance nicht nutzen? Obwohl die Sachbearbeiterin der DRV mir dabei helfen soll, wieder im Arbeitsleben integriert zu werden? Stattdessen behindert sie mich nach meinem Erleben.

Die Folgen der Nachrichten des heutigen Tages waren: Nichts von dem geschafft, was ich mir eigentlich vorgenommen hatte, ein Heulanfall, eine Schimpftirade, weil ich völlig außer Fassung geriet, heftige Kopfschmerzen und jetzt das Gefühl der tiefen Erschöpfung. Meiner Ansicht nach sollte das nicht sein, wenn es tatsächlich darum ginge, mich bestmöglich zu unterstützen. Aber wahrscheinlich ist es nur meiner schizoiden und paranoiden Persönlichkeitsakzentuierung zuzuschreiben, wenn ich ein System hinter solchen Vorkommnissen vermute und zunehmend keine Kraft mehr habe, mich mit Sachbearbeitern und Unterstützungsanträgen auseinanderzusetzen.

Aufgeben ist natürlich keine echte Option. An Tagen wie heute wünschte ich mir nur, es wäre nicht alles so ein unglaublicher K(r)ampf.


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Offen mit Autismus und Depressionen umgehen – darf man das?

Inzwischen gibt es hin und wieder ein paar gute Tage. Tage an denen mir etwas gelingt, an denen ich es schaffe Staub zu saugen und zu putzen. Sogar Tage, an denen ich begonnen hatte, an meinem Teich weiter zu graben. Es kann gar nicht genug Teich geben, das ist schon mal klar. Je mehr Teich, desto mehr Möglichkeiten, am Ufer sitzend auf Fische zu starren. Darüber nachzudenken, welche Formationen sie schwimmen. Die Reflexionen des Sonnenlichts auf den Schuppen zu sehen, wenn sie fressen. Zu beobachten, welche Muster sich ergeben, welche Schwärme welches Revierverhalten zeigen und wer mit wem schwimmt – stundenlang auf Fische starren tut mir gut. Und es ist gut, sich bei einer Depression sportlich zu betätigen und aus dem Haus zu gehen. Dazu ist ein Gartenprojekt, bei dem man an der frischen Luft ganz viel Erde per Schubkarre und Handarbeit mit Spaten von A nach B verbringen muss, für mich als Autistin perfekt geeignet.

Leider kann ich das nicht andauernd machen, im Moment wäre es sogar denkbar ungünstig im Regen zu sitzen und zu frieren oder draußen zu schwitzen bei der Fische-starr-Flächenvergrößerung. Ich dachte, es ginge jetzt endlich wieder aufwärts. Aber schon seit mehr als einer Woche schleppe ich mich vom Bett zum Tisch, von dort zum Sofa und zurück ins Bett. Gut, derzeit bin ich richtig unangenehm körperlich krank. Das könnte eine Erklärung sein. Die andere Erklärung wäre, dass ich schlicht und ergreifend immer noch ziemlich depressiv bin.

Laut der Sachbearbeiterin in der Deutschen Rentenversicherung, bei der ich letzten Monat einen Termin wegen meines Antrages auf Teilhabe am Arbeitsleben und wegen meiner beruflichen Zukunft hatte, bin ich vollschichtig erwerbsfähig. Mal ganz abgesehen davon, dass ich es Zeit meines Lebens noch nie geschafft habe, Vollzeit zu arbeiten: Warum nur fühle ich mich so überhaupt nicht erwerbsfähig? Ich bin immer noch krank geschrieben. Seit nunmehr einem halben Jahr bin ich ununterbrochen arbeitsunfähig krank geschrieben. Obwohl ich mich nach der langen Zeit doch eigentlich hätte erholt haben müssen.

Eigentlich müsste ich inzwischen wieder die Kraft haben, den Kampf weiter zu kämpfen, eine neue Arbeitsstelle zu suchen, wieder von vorne anzufangen. Unbelastet, keiner kennt mich, ich habe noch keine nicht wieder gut zu machenden soziale Fehler im Umgang mit den Kollegen gemacht, neue und hoffentlich interessante Aufgaben warten. Aber allein der Gedanke daran, mich um eine neue Stelle bemühen zu müssen, führt dazu, dass mir der Angstschweiß ausbricht. Ich kann mir seltsamerweise absolut nicht mehr vorstellen nochmals in irgendeinem Büro zu arbeiten. Schon gar nicht kann ich mir vorstellen das nicht alleine, sondern mit Kollegen zu tun. Ich wüßte nicht einmal, wie ich mit ihnen reden sollte. Ich wundere mich, dass mir das mal gelungen ist, verstehe nicht, wie ich es geschafft habe. Beim Gedanken daran kommen mir die Tränen und mir tut der Magen weh. Alles psychosomatisch, ich weiß – aber auch wenn es keine körperliche Ursache hat, die Magenschmerzen tun trotzdem weh. Kann natürlich auch sein, dass meine Weinerlichkeit und die Magenschmerzen daher rühren, weil ich mir nutzlos vorkomme und weil ich Versagensgefühle habe. Und solche Gedanken und Gefühle wiederum sind laut Literatur typisch bei einer Depression.

Jetzt könnte man meinen, dass ich doch gar keinen Grund habe, mich zu beklagen. Immerhin bin ich daheim, seit einem halben Jahr habe ich frei. Aber ich schaffe es nicht einmal trotz all der „Freizeit“, die ich dank der Krankschreibung habe, mich mit meinen Hobbys zu beschäftigen. Mich darum zu kümmern, wie es im Studium weitergeht. Jetzt hätte ich seit einem halben Jahr die Zeit gehabt, die Reader des letzten Moduls vollständig zu lesen, ein Hausarbeitsthema zu finden, Literatur zu recherchieren und loszuschreiben. Und was habe ich davon erledigt? Genau – nichts. Was ist aus meinen Plänen geworden, mich mit Ubuntu zu beschäftigen, C++ zu lernen, die Literatur-Datensammlung zu ordnen, alle Folgen von GoT anzusehen? Tag um Tag verbringe ich damit, mir vorzunehmen etwas davon ganz bestimmt am nächsten Tag anzufangen.

Und Tag um Tag vergeht, eine lange Reihe an Tagen mittlerweile. Zu einer Depression gehört augenscheinlich Geduld – es bleibt also schwierig, denn Geduld gehört definitiv nicht zu meinen Stärken. Hinderlich ist auch das Gefühl, dass es seit längerem eigentlich nur noch Abwärts geht. Mein Leben besteht mittlerweile gefühlt seit ewiger Zeit, tatsächlich seit drei Jahren überwiegend daraus, wahlweise körperlich erkrankt, erschöpft oder antriebslos auf dem Sofa herum zu Gammeln und nichts mehr zustande zu bringen. Nach wie vor überkommt mich täglich die Sinnfrage. Es ist schwierig in dem Zustand den Spaß am Leben zu sehen. Lebensqualität ist nicht wirklich gegeben.

Jemand hat mich darauf hingewiesen, dass es problematisch werden könnte jemals wieder eine neue Arbeitsstelle zu finden, wenn ich öffentlich von meinem Autismus schreibe und insbesondere von einer Depression. Meiner Ansicht nach gehört der komplette Bereich der psychischen Erkrankungen aber aus der Verheimlichungsecke heraus. Wenn eine Depression tatsächlich eine Erkrankung ist, dann sollte man genauso darüber sprechen dürfen wie über eine Blasenentzündung oder einen grippalen Infekt. Wo ist der Unterschied? Alles sind heilbare Erkrankungen, die einen arbeitsunfähig werden lassen können. Angeblich – bei der Depression habe ich mittlerweile so meine Zweifel bezüglich der Heilbarkeit, immerhin scheine ich seit meiner Jugend immer mal wieder depressiv zu sein.

Eine Autismus-Spektrum-Störung (soweit ich auf dem Laufenden bin, soll man das Wort Störung nicht mehr benutzen – in Ermangelung einer zufriedenstellenden anderen Bezeichnung bleibe ich aber dabei) ist zwar weder eine Erkrankung noch ist sie heilbar. Trotzdem denke ich, dass es, zumindest für mich, unabdingbar ist, offen damit umzugehen. Ich glaube, dass ich nicht mehr versuchen sollte mich an eine Arbeitsstelle anzupassen. Das hat Zeit meines Lebens bisher nicht geklappt. Es ist wichtig, dass ein zukünftiger Arbeitgeber weiß wo meine Schwierigkeiten liegen, wenn ich denn irgendwann in der Zukunft (hoffentlich bald) fähig sein werde wieder einer Teilzeit-Erwerbsarbeit! nachzugehen. Mir ist inzwischen klar, dass ich wahrscheinlich niemals genügend Energie haben werde, um ganztags arbeiten gehen zu können. Ich arbeite daran, das nicht mehr als persönliches Lebensversagen zu sehen, sondern als nachvollziehbare Folge meines Autismus. Und dass ich unbedingt eine Stelle finden muss, bei der sich die Rahmenbedingungen an meine Bedürfnisse anpassen lassen. Damit ich gesund bleiben kann – soweit ich das wieder werde.

Ich hoffe, die Zusammenhänge kann ich der Sachbearbeiterin von der Rentenversicherung verständlich erklären, wenn ich das nächste Mal zu einem Beratungsgespräch über meine berufliche Zukunft eingeladen werde. Das letzte Mal verlief nämlich denkbar irritierend. Ich bekam als für mich passende berufliche Rehabilitationsmaßnahme vorgeschlagen, in dieses berufliche Trainingszentrum zu gehen. Der „Erwerb von Schlüsselqualifikationen, die Steigerung der Belastbarkeit und das (Wieder-) Erlernen des Rollenverhaltens“ (Quelle) als seelisch erkrankter Arbeitnehmer stehen im Vordergrund des mir anempfohlenen Trainings. Dort solle ich dann mittels Kursen aus den Themenbereichen

  • Büroorganisation
  • Schriftverkehr
  • PC-Kenntnisse
  • Computertechnik
  • Grundkenntnisse der Verwaltungsorganisation
  • Grundkenntnisse der Buchhaltung
  • Grundkenntnisse des Personalwesens
  • Mediengestaltung (Quelle)

eine Lösung für meine berufliche Situation finden. Zudem gäbe es laut Sachbearbeiterin ein Anpassungstraining in der Gruppe, bei der ich soziale Kompetenz erlernen könne. Auf meine Frage, ob sich die Fachkräfte dort auch mit Autismus auskennen würden erhielt ich die Antwort: Betreut werde man von Sozialpädagogen. Ein sehr wichtiger Baustein der Maßnahme seien möglichst viele betriebliche Praktika. Ganztags, in wechselnden Betrieben und in der Werkstatt. Wegen des weiten Anfahrtsweges könne ich während der Woche im dortigen Gästehaus logieren. Vor Beginn dieser Maßnahme müsse ich jedoch erst noch einen Erwerbsminderungsrentenantrag stellen, davor könne sie gar nichts für mich tun. Aber das ginge nicht bei ihr, sie sei für diesen Antrag nicht zuständig.

Ich frage mich, inwiefern mir diese Maßnahme in meiner gesundheitlichen Situation und hinsichtlich meiner bereits vorhandenen beruflichen (Über)qualifikation als Steuerfachangestellte und Bildungswissenschaftlerin etwas Positives bringen soll. Ich hoffe wirklich, diese Beratungsgesprächsergebnisse sind nur dem fehlenden Wissen der Sachbearbeiterin über Autismus mit der Komorbidität Depression zuzuschreiben. Ich hoffe, Mitarbeiter in Ämtern und Behörden sind nicht lernresistent und durch zunehmende Verbreitung von Wissen über Autismus und Depressionen kann nicht nur ich zukünftig hoffentlich zielführender beraten werden. Auch deshalb scheint es mir imho sehr wichtig, offen mit meinen Diagnosen umzugehen.

Übrigens: Den Erwerbsminderungsrentenantrag habe ich bisher nicht gestellt. Und jetzt verschwinde ich wieder eine Zeitlang auf dem Sofa.

 

 


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TKSI – unbedingt empfehlenswert, zumindest für mich

Ende nächster Woche ist mein Aufenthalt in der TKSI zu Ende. Inzwischen funktioniere ich im Rahmen der Tagklinikstrukturen wieder ganz gut. Ob das ein stabiler Zustand sein wird, kann nur der Alltag und die Zukunft zeigen. Da ich die Diagnose rezidivierende Depression mitnehme, ist davon auszugehen, dass mich irgendwann im Leben wieder eine schwerere Depression einholen kann. Muss ich halt schneller sein – wenn es denn so einfach wäre. Aber ich habe in der Klinik das Wissen erlernt, um mitzubekommen, wenn Gefahr im Verzug ist und ich auf mich aufpassen sollte. Dazu habe ich jetzt ein Instrumentarium, das mir hilft, meine Grenzen zu akzeptieren; mit meiner Energie achtsam umzugehen; mir genügend Zeit und Raum zur Erholung zu lassen; die Haltung: „Zuerst die Arbeit und dann (vielleicht, wenn Zeit ist) das Vergnügen“ aufzugeben; meinen Perfektionismus mit Abstand zu betrachten und zu versuchen, auch manchmal Unperfektes zuzulassen; mich für Leistungen zu belohnen – geübt habe ich das alles bereits. Jetzt muss ich das Ganze noch in meinen zukünftigen Alltag integrieren.

Dem für mich wichtigsten Ziel, der Entwicklung einer längerfristigen beruflichen Perspektive, bin ich sehr viel nähergekommen. Dank der tatkräftigen Unterstützung des Sozialdienstes der TKSI habe ich die Aussicht darauf, in absehbarer Zukunft wieder eine Arbeitsstelle auf dem ersten Arbeitsmarkt zu haben. Genauer gesagt sieht es sogar so aus, als könne ich zwischen mindestens zwei Möglichkeiten wählen. Ich bin noch am Abwägen, welcher Möglichkeit ich den Vorzug geben sollte und ob nicht sogar beide Möglichkeiten miteinander zu vereinbaren wären. Die eine Möglichkeit ist eine Anstellung bei auticon als IT-Consultant im Software-Testing Bereich. Die andere eine Stelle als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der LMU. Eine dritte Möglichkeit kann sich eventuell noch in Regensburg ergeben, wobei ich meine Kenntnisse aus dem Masterstudium einsetzen könnte. Was mich besonders bei allen drei Möglichkeiten begeistert ist, dass ich definitiv nichts mehr mit Verwaltung, Buchhaltung und allgemeinen Bürotätigkeiten zu tun hätte, von vornherein klar wäre, dass ich Autistin bin und die Rahmenbedingungen wesentlich passgenauer meine bisherigen autismusbedingten Schwierigkeiten am Arbeitsplatz abfedern könnten. Bei allen drei Möglichkeiten könnte ich Stärken einsetzen, die ich bisher nie umsetzen habe können. Ich scheine nämlich der geborene Fehlerfinder zu sein, Fehler im System oder in Programmen oder in Texten fallen mir schon seit jeher auf. Ich finde es lustig, dass man tatsächlich damit seinen Lebensunterhalt verdienen kann, auf alles zu klicken und dann rückzumelden, dass etwas nicht funktioniert oder falsch ist. Das mache ich sowieso ständig, hatte mir damit aber bisher eher keine Freunde gemacht. Die Überprüfung großer Datenmengen macht mir Spaß. Außerdem bin ich wirklich gut darin, passgenaue Literatur zu einem autodidaktisch zu erarbeitenden Thema zu finden, wissenschaftliche Texte zu redigieren bzw. zu schreiben und Vorträge zu gestalten – nur halten muss sie jemand anderes.

Was meine absoluten Stärken sind, wusste ich bereits als Jugendliche und damals wusste ich auch, welcher Beruf passend für mich wäre. Ich wollte Lektorin werden und irgendwann vielleicht einmal selbst Schriftstellerin. Jemand sein, der sehr viel lesen darf und damit am besten von zu Hause aus Geld verdient. Der im Hintergrund die Fehler findet, Geschriebenes besser macht, der mit Sprache umgeht, recherchiert, lebenslang eigenständig lernt. Leider scheiterte ich damals, weil ich nicht fähig war, ein Studium zu schaffen. Und in der Folge verlor ich mein Ziel aus den Augen wegen der Notwendigkeit, Geld zu verdienen. Also wurde ich mangels anderer Möglichkeiten Steuerfachangestellte. Verbrachte Jahre in diversen Büros, stets krank werdend.

Es ist schade, dass ich erst ein halbes Jahrhundert alt werden musste, um meine eigentlichen Begabungen einsetzen zu dürfen. Und erst durch die Autismus-Diagnose erkannt habe, was falsch lief und weshalb ich immer und immer wieder im Arbeitsleben scheiterte. Aber wenigstens habe ich jetzt endlich die Chance, doch noch erfolgreich zu sein. Und mir ist sehr bewusst, welchen maßgeblichen Anteil die Unterstützung in der TKSI daran hat. Für mich war mein Aufenthalt in der TKSI eine der besten Ideen, die ich in letzter Zeit hatte. Klar war nicht alles, was ich dort erlebt habe, durchgängig toll. Es gab anfangs ein gewisses organisatorisches Eröffnungs-Chaos, es gab immer wieder Termine, die kurzfristig ausfielen, weil beispielsweise Mitarbeiter erkrankten und keine Vertretung gefunden wurde. Aber was durchgängig zu spüren war: Ich wurde als Person mit all meinen individuellen Schwierigkeiten stets wertgeschätzt und es wurde mit allen verfügbaren Ressourcen versucht, mir sofort und möglichst umfassend zu helfen. Deshalb geht mein tiefempfundener Dank an die Menschen, die mich die vergangenen Wochen dort unterstützt haben und auch in Zukunft noch unterstützen wollen.


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Autistin + Depression = Job weg – wie soll es weitergehen?

Am 18. Februar war ich in München auf einer Veranstaltung, bei der Dr. Leonhard Schilbach seine Arbeit und das Konzept seiner neuen Ambulanz / Tagklinik vor drei Autismus-Selbsthilfegruppen aus der Region (Nürnberg, Regensburg, München) vorstellte. Angesichts meines bevorstehenden Jobverlustes und der schlechten beruflichen Perspektive sprach mich besonders die dort angebotene berufsorientierte Therapie an.

Wieder zu Hause, bat ich meinen Mann, mich sofort dort anzumelden, bzw. auf die wahrscheinlich bereits vorhandene Warteliste setzen zu lassen. Eine solche Tagklinik, die Therapie für erwachsene hochfunktionale Autisten anbietet, gab es meines Wissens bisher nicht. Es erstaunte mich, dass ausgerechnet in Bayern und dann noch für mich in erreichbarer Nähe so etwas angeboten werden würde. Ich stand zwar seit meiner Diagnose auf der Warteliste der Diagnosestelle für ein ambulantes soziales Kompetenztraining, hatte aber noch keine Nachricht erhalten, wann ich dort voraussichtlich mit einem Platz rechnen konnte. Das in der Tagklinik angebotene Programm klang so, als könnte es hilfreich für die Bewältigung meiner drängendsten Probleme sein.

Da ich arbeitsvertraglich und gesetzlich verpflichtet war, mich bei einem befristeten Vertrag rechtzeitig beim Arbeitsamt zu melden, vereinbarte ich einen Termin. Das war autistenfreundlich erfreulicherweise per E-Mail möglich. Ich durfte auch meinen Mann als Begleitperson mitbringen. Meine Sachbearbeiterin hatte sich wohl umfassend vorab über Autismus informiert. Es wurde erstaunlicherweise ein sehr hilfreiches Gespräch. Sie teilte mir mit, dass ich mich besser nicht arbeitslos melden solle, weil weder jetzt noch in Zukunft mit einem passenden Jobangebot für mich zu rechnen sei. Sie halte es nicht für zielführend, mich dem vorgeschriebenen Arbeitsamtprozedere auszusetzen. Sie schlug mir vor, eine Rehabilitationsmaßnahme über die Rentenversicherung zu beantragen und/oder eine Erwerbsminderungsrente. Ich war positiv überrascht, weil ich damit gerechnet hatte, mich wieder einmal erfolglos für meine Schwierigkeiten rechtfertigen zu müssen und auf kein Verständnis wegen meiner Einschränkungen zu stoßen. Statt dessen traf ich auf ein kompetentes, sehr gut informiertes und an meinem Wohl interessiertes Gegenüber – nochmals ein herzliches Danke an dieser Stelle. Zu Hause musste ich dann all die Informationen und Eindrücke erst einmal ein paar Tage lang sortieren. Ich stellte den Antrag auf Teilhabe am Arbeitsamt (berufliche Reha) bei der Rentenversicherung.

Aber eine Rente kann ich mir nicht vorstellen. Bei all meinen Qualifikationen und meiner akademischen Ausbildung muss es doch irgendwo einen Arbeitgeber geben, der meine fachlichen Fähigkeiten im Blick hat, statt sich auf die allseits geforderten Softskills und die „Team“passung – sprich der Fähigkeit, in der Kaffeeecke per Smalltalk zu netzwerken – zu fokussieren. Zugegeben, darin bin ich eher schlecht. Aber ich behaupte, dass ich keineswegs teamunfähig bin und auch nicht keine sozialen Kompetenzen habe. Ich kann und will arbeiten – allerdings kann ich mich nur innerhalb gewisser Grenzen im Büroalltag anpassen und ungünstige Rahmenbedingungen nicht längerfristig aushalten oder mich daran gewöhnen.

Ich bin einfach eine ganz normale, demnächst leider arbeitslose, mittlerweile auch deshalb depressive, hochfunktionale 52 jährige Autistin, die einen Platz in dieser für Autisten leider überwiegend unpassenden Arbeitswelt sucht.

Ich weiß nicht, wie es ab Juni beruflich für mich weitergehen soll. Im Moment bin ich noch krank geschrieben. Da das Krankengeld jedoch nicht so hoch ist wie mein bisheriges Arbeitsentgelt, fehlen jeden Monat ca. 30% meines bisherigen Einkommens in der Familienkasse. Das geht nicht lange gut. Die Unsicherheit, nicht zu wissen, was ich ab Juni tun werde und die Tatsache, dass meine Arbeitslosigkeit spätestens dann existenzbedrohend wird, wenn ich kein Krankengeld mehr erhalte und/oder nach einem Jahr Arbeitslosengeld überhaupt kein Geld mehr von irgendeiner Institution im sozialen Wohlfahrtsstaat, trägt ganz bestimmt nicht dazu bei, aus dem Depressionsloch zu kommen. Eine Perspektive muss her und das möglichst bald.


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Autismus, Depressionen, Belastbarkeit und der Zusammenhang mit Strukturen

Sind Belastbarkeit und Kompensationsfähigkeiten bei Autisten altersabhängig? Früher war ich wesentlich belastungs- und damit leistungsfähiger. Es frustriert mich, dass ich zunehmend nicht mehr funktioniere. Immer mehr Aufgaben und Tätigkeiten schaffe ich nur noch mit größter Anstrengung oder sie bleiben sogar ganz liegen. Ich laufe im Notprogramm und das mittlerweile seit eineinhalb Jahren. Das ist kein schöner Zustand und ich wünsche mir dringend, dass es mir irgendwann auch einmal wieder besser geht. Seit einem Jahr gehört auch mein Studium zu den Dingen, für die ich keine Kraft mehr habe. Das ist besonders frustrierend, weil es sich dabei um mein Hobby handelt. Ich bin aber stolz darauf, es größtenteils doch noch hinzubekommen, in die Arbeit zu gehen, leider macht mein Körper mir zunehmend Schwierigkeiten, er zeigt mir wahrscheinlich die Grenzen. Ich bin mir inzwischen ziemlich sicher, dass all die Erkrankungen in der letzten Zeit psychosomatische Reaktionen sind.

Es ist nicht schön, dass die Hausarbeit seit Monaten größtenteils liegenbleibt, aber das hat außer einem mittlerweile riesengroßen schlechten Gewissen keine gravierenden Folgen. Ich fühle mich nur ziemlich unwohl, weil ich es einfach nicht mehr schaffe zu saugen oder zu putzen. Ordnung ist eigentlich sehr wichtig für mich, dass sich hier alles in ein Chaos verwandelt, belastet mich. Wenn ich es nicht schaffe, nach der Arbeit noch einkaufen zu gehen und die Vorratshaltung schwierig geworden ist, dann hat das nur bedingt Auswirkungen, wegen ständiger Magen-Darm Probleme brauche ich sowieso wenig zu essen. Dass seit einigen Monaten die Einkäufe meistens mein Mann erledigen muss, um selbst noch etwas im Kühlschrank zu haben, tut mir sehr Leid und entspricht auch nicht unserer Aufgabenverteilung. Ich leide darunter, meine Pflichten nicht zu erledigen und es belastet mich. Die größten Schwierigkeiten macht aber das tiefe Gefühl der Erschöpfung. Im reinen Überlebensmodus macht das Leben nämlich nicht wirklich Freude.

Ich habe jetzt mal gründlich darüber nachgedacht, wo das Problem eigentlich liegt. Ich vermute, viele Dinge hatten früher, nicht nur weil ich jünger, belastbarer und kompensationsfähiger war, gut funktioniert, sondern weil es einen festen, von außen vorgegebenen Stundenplan gab. Als ich in erster Linie noch Muttertier war, hatte ich wegen der fixen Termine, die die Schule und die Aktivitäten der Kinder vorgaben, einen sehr strukturierten Tagesablauf. Nachdem alle ausgezogen waren, habe ich es nicht geschafft, mir eine neue Struktur selbst vorzugeben.

Dazu kam zeitgleich eine neue Arbeitsstelle, die bis dato unbekannte soziale Anforderungen an mich stellte. Diese Stelle gibt mir zwar einerseits eine äußere Struktur vor, was sehr hilfreich ist, weil es zu meinem Tagesablauf gehört, zu einer bestimmten Zeit aufzustehen und nach dem Cappu-Zeitungs-Morgenritual in die Arbeit zu fahren. Das ist auch der Grund, weshalb ich es an vielen Tagen trotz einer Depression, die ich laut meinem Psychotherapeut habe, überhaupt noch schaffe, aufzustehen. Andererseits sind aber die Bedingungen dieser Arbeitsstelle ein Hauptbelastungsfaktor und ein Grund, weshalb es mir schlecht geht. Ich bin nach jedem Tag in der Arbeit so dermaßen erschöpft, dass ich direkt nach Hause fahre, meine Verkleidung abwerfe und mich nur noch auf die Couch legen kann. Mal abgesehen von der Hausarbeit habe ich auch für Freizeitaktivitäten, wie im Garten arbeiten oder Sport treiben, einfach keine Kraft mehr.

Ich weiß, dass regelmäßige sportliche Aktivitäten mir gut tun würden. Früher gehörten sie zu meinem Tagesablauf und es ging mir gut dabei. Nur kann ich im Moment leider nichts dagegen tun. Es liegt an den fehlenden Möglichkeiten, bzw. an meiner fehlenden Energie, neben meinen Arbeitskollegen beispielsweise im Schwimmbad oder Fitnessraum auch noch mit weiteren Menschen Kontakt haben zu wollen. Wobei ich das eher mit schizoider Paranoia verbinde, die natürlich auch damit zu tun haben mag, älter und erfahrener zu werden. Früher empfand ich viele andere Menschen zwar auch als Belastung, habe es aber leichter ertragen und habe zum Teil auch Sozialkontakte aktiv gesucht. Aber je älter ich werde, desto mehr schlechte Erfahrungen sammelten sich an. Mit jeder neuen Erfahrung des Scheiterns in sozialen Interaktionsversuchen resignierte ich mehr und wollte mich dem Ganzen am Liebsten gar nicht mehr aussetzen.

Seit ich weiß, dass ich Autistin bin, habe ich neu angefangen, den sozialen Kram besser zu bewältigen. Ich bin in eine Selbsthilfegruppe gegangen und habe mich wieder einmal mit dem Training sozialer Kompetenzen, Kommunikation und Smalltalk beschäftigt. Inzwischen ist es mir aber die Mühe oft nicht mehr wert und ich überlege immer, ob sich der Aufwand lohnt oder ich besser Energie spare, indem ich allein daheim bleibe. Ich weiß auch, dass mir das Ausüben meiner Hobbys sehr gut tut. Ich ärgere mich über mich selbst, weil ich es nicht schaffe, im Studium weiterzumachen. Es wäre toll, wenn ich die Energie hätte, mich mit dem zu beschäftigen, was mich wirklich interessiert. Ich habe zusätzlich ein fürchterlich schlechtes Gewissen, weil ich es zu Hause nicht fertigbringe, seit Monaten liegengebliebene Arbeiten zu erledigen, die ich früher problemlos geschafft habe. Mittlerweile türmt sich ein so hoher Berg an unerledigten Dingen hier auf, dass allein der Gedanke daran, das alles abarbeiten zu müssen, mir eine riesige Angst macht. Aber alle Dinge, die eine Frist haben und solche, die in kurzen regelmäßigen Abständen zu erledigen sind, die schaffe ich. Erklären kann ich mir das damit, dass sie eben regelmäßig sind, also Routine. Und damit, dass ich verbindliche Regeln in jedem Fall einhalte, wozu Fristen ja gehören.

Mir ist natürlich klar, dass die Erwerbsarbeit die höchste Priorität hat und ganz sicher wichtiger ist als jedes Hobby. Aber irgendwo ärgert es mich auch, dass mein Leben sich nur noch darum dreht, in die Arbeit zu gehen. Ich sehne mich bereits am Montag nachmittag nach dem Wochenende. In den letzten Wochen ging es mir häufiger bereits Mitte der Woche gesundheitlich so schlecht, dass ich vom Arzt krank geschrieben wurde. Und dann brauchte ich das komplette Wochenende, um mich bis Montag soweit erholt zu haben, wieder in die Arbeit fahren zu können. Ich wünsche mir eine Arbeitsstelle, wo ich meine Stärken einbringen kann und die ich am Allerliebsten bis zur Rente behalten kann. Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, wie so eine Stelle aussehen könnte und wo ich sie finde. Außerdem habe ich Angst davor Bewerbungsprozesse durchlaufen zu müssen. Dazu kommt, dass ich ein ausgesprochener Gewohnheitsmensch bin und aus lauter Angst vor Veränderungen lieber in ungesunden Situationen verharre, die kenne ich wenigstens. Das hat sehr wahrscheinlich mit Autismus oder auch mit Depressionen zu tun, weil es erstaunlich ist, wie schwer es mir tatsächlich fällt, mich auf etwas Neues einzulassen und die notwendigen Schritte aktiv dafür zu tun. Eigentlich bin ich also sehr belastbar, ich halte solche Situationen nämlich trotz hoher Belastung lange Zeit aus.

Mein soziales Leben war immer schon sehr überschaubar, aber es war nicht überhaupt nicht vorhanden. Wobei darunter mein Mann natürlich mehr leidet als ich. Ich hatte von jeher wesentlich weniger Bedürfnisse, mich mit anderen zu treffen oder auf Veranstaltungen zu gehen. Lieber verbringe ich meine Freizeit mit Lesen und zu Hause sein, wo es meiner Ansicht nach eh am Schönsten ist. Trotzdem habe ich viele Termine im Kalender stehen. Jetzt könnte man auf die Idee kommen, dass mich solche zusätzlichen Termine zu sehr belasten, weil ich sowieso dermaßen erschöpft bin. Einige sind Informationsveranstaltungstermine zu Themen, die mich interessieren, andere sind Arzttermine oder jetzt neu meine regelmäßigen Psychotherapietermine. Der Vorteil dieser Termine im Kalender ist, dass sie für mich absolut verbindlich sind und mir eben die dringend notwendige Struktur geben. Das ist wie früher, egal, wie es mir geht, Termin ist Termin – ich gehe dann sicher dort hin, sie machen, dass ich funktioniere. Für mich als Autistin haben diese vielen Termine neben der Belastung auch eine heilsame Wirkung.

Irgendwo hatte ich gelesen, dass es Autisten mit zunehmendem Alter besser geht, weil die Kompensationsfähigkeiten durch lebenslanges Lernen so ausgereift sind, dass sie immer besser mit den Schwierigkeiten zurechtkommen. Mich selbst als Beispiel nehmend, scheint es aber so zu sein, dass meine Kompensationsfähigkeiten umso besser sind, je besser es mir geht. Und das wiederum hängt mit den äußeren Bedingungen zusammen. Das Fatale ist: Das Ganze ist ein Zirkel, je schlechter es mir geht, desto weniger bin ich in der Lage, die Rahmenbedingungen aufrecht zu erhalten, mit denen es mir so gut geht, dass ich problemlos funktioniere. Je schlechter es mir geht, desto weniger belastbar bin ich und umgekehrt.

Ist das alles jetzt ein Problem des Alters, meines spezifischen Autismus, einer Depression oder vielleicht eine Kombination daraus und dass ich selbst nicht fähig bin, mir verbindliche Strukturen vorzugeben und exekutive Dysfunktionen habe? Oder ist es banal ein hausgemachtes Problem wegen meiner Neigung zu Prokrastination, die mit dem Alter leider nicht besser geworden ist? Was auch immer der Grund ist, ich wünsche mir, dass es aufhört, ich möchte mich wieder besser fühlen und nicht mehr so deprimiert sein. Strukturen helfen, andernfalls würde ich wahrscheinlich schon lange nicht mehr morgens aufstehen, sondern depressiv im Bett liegenbleiben. Dazu kommt, dass sich bei jedem Gedanken daran, einfach nicht mehr aufzustehen, sofort mein Hirn einschaltet und fragt: Ok, verstehe, du bist zutiefst erschöpft, der Gedanke, im Bett liegen zu bleiben ist verlockend. Aber: Was machst du dann da? Morgen auch noch darin liegen? Und übermorgen?

Mein Psychotherapeut glaubt, dass es zwei Dinge braucht, damit es mir besser geht: Eine Therapie und Medikamente. Er hat mir gesagt, dass ich mich dringend an meine Ärztin wenden soll. Den Teil mit der Therapie erledige ich ja jetzt, seit ich ihn gefunden habe, die Hälfte habe ich demnach geschafft. Und weil es so, wie es derzeit ist, einfach nicht mehr weitergehen soll, überlege ich trotz meiner inneren Widerstände, ob Antidepressiva tatsächlich eine Lösung wären. Wobei ich glaube, dass ich einfach nur ganz, ganz dringend eine mit meinem eigenen Autismus vereinbare Arbeit und einen Stundenplan brauche. Früher ging es doch auch. Ich möchte wirklich gerne meinen Teich fertigbauen und mein Studium beenden, bevor ich im Rentenalter bin.