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"Um ein tadelloses Mitglied einer Schafherde sein zu können, muß man vor allem ein Schaf sein." (Albert Einstein)

Du möchtest mich unterstützen?

Ein Kommentar


Wenn du dir dessen bewusst bist, dass die Kategorisierung behindert / nichtbehindert mit dir auf der Seite der Nichtbehinderten keine dauerhafte ist, weil 97% aller Behinderungen im Lauf des Lebens erworben werden. Wenn Dir also bewusst ist, dass du nur noch nicht behindert bist und ich schlicht zu den 3% gehöre, die so geboren wurde.

Wenn deine Unterstützung mir Energie einspart statt welche zu kosten.

Wenn du anerkennen kannst, dass ich die Expertin meiner eigenen Behinderung bin und wenn du respektieren kannst, dass ich am besten weiß, was ich mir zumuten kann, nach welchen Zielen ich streben sollte und welche Unterstützungsmaßnahmen sinnfrei für mich sind.

Wenn du respektierst, das ich entscheide, wie viel und bei welchen Dingen ich Unterstürzung brauche und dass ich an manchen Tagen etwas alleine schaffe, was mir an anderen Tagen nicht möglich ist.
Wenn du mir nicht unterstellst, dass ich mich bei ausreichend Übung schon an xyz gewöhnen kann, und dir nicht heimlich denkst, dass ich mich nur genügend anstrengen oder es wollen oder mich nicht so anstellen müsse – gestern ging es doch auch.

Wenn du Verständnis dafür haben kannst, dass mich bei hohem Stresserleben als erstes die Fähigkeit, Blümchen und Flausch um Kommuniziertes zu wickeln, danach die Fähigkeit, mich eloquent auszudrücken bis dahin, mich überhaupt noch auszudrücken verlässt.

Wenn du mir glaubst, dass ich mich so gut es geht bemühe, in einer Umwelt, die nicht für mich, gemacht ist, zurechtzukommen. Wenn dir klar ist, dass das manchmal bedeutet, dass ich meine ganze Kraft dafür einsetzen muss, in dieser Umwelt zu überleben und keine mehr habe, es dir Recht zu machen. Wenn du dann geduldig sein kannst und nicht meinst, dass ich dich mit Absicht ärgern möchte, stur bin, unflexibel oder begriffsstutzig.

Wenn du damit umgehen kannst, dass ich dich kritisiere, wenn ich meine, dass du mich übergriffig oder ableistisch behandelst – das kann ja mal passieren, es sollte halt nicht die Regel werden. Wenn du dann nicht über die Art und Weise meiner vorgebrachten Kritik diskutieren möchtest, sondern wir über den Inhalt meiner Kritik sprechen können.

Wenn du bereit bist, dich selbst darin weiterzubilden, was meine Behinderung ausmacht, wie sie sich auswirkt und nicht von mir erwartest, dass ich das übernehme, indem ich ständig und immer wieder den Erklärbären gebe – sogar in Situationen, wo meine Behinderung mir das gar nicht mehr ermöglicht. Ich erkläre dir gerne, wie ich die Welt erlebe, aber ich lasse mich nicht dafür verantwortlich machen, wenn du dir meine Erklärungen nicht merkst.

Wenn du begreifen kannst, dass ich mich bemühe, die bestmögliche Version meines autistischen Selbst zu werden und nicht deinen Normvorstellungen entsprechen muss.

Wenn du darauf verzichten kannst, meine Welt in Ordnung bringen zu wollen, weil du der Ansicht bist, meine Behinderung würde mich in meinen Möglichkeiten einschränken – die in Wahrheit nur deine Vorstellungen davon sind, was ich erreichen soll.

Wenn du dein Ego auch mal hintenanstellen kannst und mir nicht vorwirfst, es durch mein behinderungsbedingtes Verhalten verletzt zu haben, wenn ich mich gerade mal wieder bemühe, unfallfrei durch Kommunikationsminenfelder zu navigieren. Autismus ist definiert als Behinderung in der sozialen Kommunikation und Interaktion, du solltest also nicht erwarten, dass ich nichtbehindert kommunizieren und soziale interagieren kann. Ich bin durch und durch und mein ganzes Leben lang autistisch, ich kann meinen Autismus nicht mal eben ablegen, wenn er grad nicht passt.

Wenn du im Gedächtnis behalten kannst, dass ich dich nicht absichtlich verletze, weil ich ein unsozialer Mensch bin, sondern tue, was ich innerhalb meines Möglichkeitsraumes tun kann.

Wenn du akzeptierst, dass ich nicht dazu da bin, dir selbst zu beweisen, was für ein toller Mensch du bist, weil du mich unterstützt.

Wenn du von mir keine dir ewig nachschleichende Dankbarkeit erwartest und dir klar ist, dass du mich nicht aus Selbstlosigkeit unterstützt, sondern weil es dein Job ist und du dafür bezahlt wirst.

Wenn du dir deiner eigenen Motive, mich zu unterstützen bewusst und dir selbst gegenüber ehrlich bist, denn dann besteht eine große Chance, dass du auch mir gegenüber ehrlich bleibst.

Wenn du nicht leugnest, dass es ein Machtgefälle gibt zwischen dir als unterstützende Person und mir als der Person, die von dir unterstützt wird und du darauf verzichtest, deine Macht mir gegenüber auszuspielen, weil du dich gerade durch meine autistische Art zu Sein gekränkt fühlst oder schlecht drauf bist oder oder oder.

Wenn du mich nicht zum Objekt Deiner Karrierepläne machst, weil Du meinst, dass du mit der Unterstützung von behinderten Menschen eine Nische gefunden hast, in der du dich profilieren kannst.

Wenn du und ich uns auf Augenhöhe begegnen können, weil für dich zu jeder Zeit sonnenklar ist, dass ich zwar behindert, aber nicht weniger wert bin als du, ich bin nur anders.

Dann freue ich mich, wenn du mich unterstützen möchtest.

Bildquelle: Gerd Altmann (14. Oktober 2014). https://pixabay.com/illustrations/support-thumb-thumbs-up-poor-man-487504/
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Autor: SWB

Bildungs- und Medienwissenschaftlerin M.A., Erziehungswissenschaftlerin B. A, Steuerfachangestellte mit Montessoridiplom, ich arbeite am Institut für Digitale Teilhabe (IDT) der Hochschule Bremen als wissenschaftliche Mitarbeiterin und forsche zum Thema "Digitale Barrierefreiheit im Arbeitsleben durch partizipative Evaluation". Ich bin eine viellesende Autistin und engagiere mich aktiv in der Selbstvertretung. Ich äußere mich zwar am liebsten schriftlich, halte aber trotzdem und gerne Vorträge über das Thema Autismus.

Ein Kommentar zu “Du möchtest mich unterstützen?

  1. Voll auf den Punkt. Aus meiner See

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