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"Um ein tadelloses Mitglied einer Schafherde sein zu können, muß man vor allem ein Schaf sein." (Albert Einstein)

Awareness vs. Erfolgsneid

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Die kritischen Kommentare in den sozialen Medien, die unweigerlich folgen, weil ein Autist oder ein Angehöriger Bücher veröffentlicht, öffentlich auftritt oder beispielsweise einen Kurs zum Thema Autismus konzipiert, lassen mich kopfschüttelnd zurück. Was mich besonders befremdet ist die Tatsache, dass diese Kommentare – soweit ich beobachte – überwiegend von Leuten geäußert werden, die selbst ebenfalls um Beachtung kämpfen bzw. sich in den sozialen Medien als Autismus-Versteher darstellen, Vorträge zum Thema halten, Blogs und Bücher schreiben. Das ist in meinen Augen ein völlig unnötiges Konkurrenzverhalten.

Autismus ist derzeit zunehmend Thema in den Medien. Außerdem entwickeln in Bayern einige sehr engagierte Leute ehrenamtlich und neben ihrer eigentlichen Erwerbstätigkeit oder ihrem normalen Alltag eine Autismus-Strategie, die zum Ziel hat, die Lebensqualität aller Autisten über das gesamte Spektrum hinweg zu steigern und die Versorgungslage zu verbessern. Awareness durch Autisten selbst und Angehörige ist dabei ein wichtiger Punkt.

Aber statt sich zu freuen, dass da jemand einen innovativen Ansatz umsetzt, der überdies seit Jahren erfolgreich über Autismus aufklärt, sind die Kritker anscheinend neidisch darauf, dass diejenige damit Geld verdienen könnte, noch erfolgreicher werden könnte, Ressourcen an sich bindet, die sie selbst wohl gerne hätten.

Inwiefern sich ihr eigenes Verhalten von dem kritisierten Verhalten unterscheidet, entzieht sich dabei meinem Verständnis. Die wenigsten von denen, die sich beispielsweise dazu kritisch äußern, dass die betreffende Person auf ihrer Website einen kostenpflichtigen Kurs für Menschen, die Fortbildungsbedarf zum Thema Autismus haben anbietet, verfügen selbst über didaktische Kenntnisse oder haben eine Ausbildung, die sie dazu qualifiziert, anderen etwas über Autismus beizubringen.

Trotzdem halten nicht wenige von ihnen selbst Vorträge, soweit mir bekannt aber nicht ehrenamtlich. Ein paar reisen mitsamt ihren autistischen Kindern quer durch die Lande, um Schulpsychologen fortzubilden und Fachkräfte zu beraten. Einige treten auf Fachtagen auf, für die oftmals Teilnehmergebühren verlangt werden. Andere schreiben Blogbeiträge. Die zu lesen kostet immerhin nichts, obwohl auch das Schreiben von Blogartikeln Arbeit bedeutet.

Sie wollen doch selbst alle nichts Anderes als offensichtlich bekannter werden, um öfter Vorträge zu halten, mehr Leser zu bekommen oder ihre eigenen Bücher zu verkaufen. Letzten Endes haben alle dasselbe, in meinen Augen nicht verwerfliche Motiv: Sich selbst vermarkten und eventuell Geld verdienen. Nur leider geht es offenbar einigen zusätzlich um die alleinige Deutungshoheit in Sachen Autismus und das halte ich sehr wohl für verwerflich.

Die hat nämlich meiner Ansicht nach niemand. Kein Autist kann letztendlich vollumfänglich zum Thema aufklären, er kann immer nur aus seinem eigenen, begrenzten Erfahrungshorizont heraus berichten, wie es für ihn ist, als Autist in einer nichtautistischen Welt zu (über)leben. Kein Angehöriger kann allen anderen sagen, wie sie am besten mit ihren eigenen autistischen Angehörigen umgehen müssen. Nur weil jemand Fachkraft ist und über Jahre mit sehr vielen Autisten gearbeitet hat, kann derjenige nicht für sich in Anspruch nehmen, zweifelsfrei feststellen zu können, was Autismus eigentlich ist.

Meinen tiefempfundenen Respekt haben alle diejenigen, die versuchen aufzuklären. Und zwar egal ob sie sich in ihrer Freizeit um die Aufklärung über das komplexe Thema Autismus bemühen oder das beruflich machen. Diejenigen, die sich engagieren, ohne andere zu kritisieren, die genau dasselbe tun. Jeder auf seine Weise. Diejenigen, die das ehrenamtlich tun und genauso diejenigen, die sich ihren Aufwand bezahlen lassen wollen.

Leute, freut euch doch, dass es immer mehr unterschiedliche Ansätze gibt, aufzuklären. Je mehr unterschiedliche Sichtweisen angeboten werden, desto wertvoller. Zerfleischt euch nicht gegenseitig, sondern erkennt an, dass da jemand eine gute Idee hatte und sich die Mühe gemacht hat, diese auch umzusetzen. Gönnt jedem seine Erfolge und verzichtet auf den Erfolgsneid. Bedenkt doch bitte, auch wenn ihr manche Personen aus welchen Gründen auch immer vielleicht nicht mögt, dass der Erfolg jedes einzelnen, sei es Angehöriger oder Autist selbst, der sich für die Aufklärung zum Thema einsetzt, in der Summe zu Awareness beiträgt. Und das sollte doch unser aller eigentliches Ziel sein.

Autor: SWB

Bildungs- und Medienwissenschaftlerin M.A., Erziehungswissenschaftlerin B. A, Steuerfachangestellte mit Montessoridiplom, ich arbeite am Institut für Digitale Teilhabe (IDT) der Hochschule Bremen als wissenschaftliche Mitarbeiterin und forsche zum Thema "Digitale Barrierefreiheit im Arbeitsleben durch partizipative Evaluation". Ich bin eine viellesende Autistin und engagiere mich aktiv in der Selbstvertretung. Ich äußere mich zwar am liebsten schriftlich, halte aber trotzdem und gerne Vorträge über das Thema Autismus.

10 Kommentare zu “Awareness vs. Erfolgsneid

  1. „Meinen tiefempfundenen Respekt haben alle diejenigen, die versuchen aufzuklären. Und zwar egal ob sie sich in ihrer Freizeit um die Aufklärung über das komplexe Thema Autismus bemühen oder das beruflich machen. Diejenigen, die sich engagieren, ohne andere zu kritisieren, die genau dasselbe tun.“

    In deinen letzten Artikeln hast du stetig gegen andere geschossen. Selbstrespekt ist auch was Tolles. 😉

    „Sie wollen doch selbst alle nichts Anderes als offensichtlich bekannter werden, um öfter Vorträge zu halten, mehr Leser zu bekommen oder ihre eigenen Bücher zu verkaufen. Letzten Endes haben alle dasselbe, in meinen Augen nicht verwerfliche Motiv: Sich selbst vermarkten und eventuell Geld verdienen.“

    Meine Motive sind das nicht.
    Vortragsanfragen habe ich bislang stets abgelehnt, weil ich nicht bekannter werden mag.
    Mehr Leser? Gern. Damit mehr Menschen verstehen. Nicht damit ich bekannter werde.

    „Kein Autist kann letztendlich vollumfänglich zum Thema aufklären, er kann immer nur aus seinem eigenen, begrenzten Erfahrungshorizont heraus berichten, wie es für ihn ist, als Autist in einer nichtautistischen Welt zu (über)leben.“

    Bis zum ersten Komma: Eingeschränkte Zustimmung.
    Für den Teil nach dem ersten Komma:
    https://dasfotobus.wordpress.com/2017/08/28/du-kannst-doch-nur-fuer-dich-selbst-sprechen/
    https://dasfotobus.wordpress.com/2018/09/10/kennst-du-einen-autisten-kennst-du-einen-autisten/

    Und ansonsten:
    Acceptance statt Awareness! 🙂

    (Meinen Respekt haben Menschen, die mit geradem Rücken stehen und nicht in verschiedene Richtungen buckeln. Dazu gehört auch, dass sie Kritik üben, wo es angebracht ist.)

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    • Danke für deinen Kommentar.

      Ich schrieb: „Meinen tiefempfundenen Respekt haben alle diejenigen, die versuchen aufzuklären.“ Das alle war sogar gefettet. Also haben logischerweise alle meinen Respekt, die das versuchen. Ich muss nicht jeden davon lieben und ich muss auch nicht bei jedem gleich toll finden, wie er das tut, aber ich respektiere jeden Versuch aufzuklären. Anscheinend wurde das nicht gelesen.
      Ich meine jeden der Sätze genau so, wie er da steht, einzeln. Es wäre gut, hier nicht Zusammenhänge hineinzuinterpretieren, die nicht da sind. Ich vermute, das ist dir hier passiert.

      In meinen letzten Artikeln habe ich Kritik geübt an Dingen und Verhaltensweisen, die in meinen Augen kritikwürdig waren. Wenn du das als „stetig gegen andere geschossen“ interpretierst, ist das deine Wahrnehmung, die ich nicht teile.

      Mein jetziger Blogbeitrag resultierte daraus, dass ich bereits mehrfach beobachten konnte, dass Autisten und Angehörige, die „berühmt“ wurden, weil sie beispielsweise ein Buch geschrieben haben, das sich gut verkauft oder die Vorträge halten, häufig angefeindet wurden. Es geht mir eben nicht um Kritik daran, dass jemand bekannt wird oder Geld mit Vorträgen verdienen möchte, das ist in meinen Augen nicht verwerflich. Allerdings finde ich es schon verwerflich, wenn man das nur bei sich selbst in Ordnung findet, es den anderen aber nicht gönnt.

      Wenn dann noch Angehörigen vorgeworfen wird, sie monetarisieren den Autismus ihrer Kinder, dann ist es in meinen Augen nicht in Ordnung, wenn man vollkommen ausblendet, dass man das selbst doch ebenfalls tut. Es geht nicht darum, damit Geld zu verdienen, jeder soll meinethalben so viel Geld verdienen wie möglich. Vor allem, wenn man als Autist zum Beispiel auf dem Arbeitsmarkt eben keines verdienen kann. Die Doppelmoral ist es, die mich stört. Das Ausblenden, dass es im Grunde meiner Ansicht nach Erfolgs- bzw. Ressourcenneid ist, der dahintersteckt.

      Meiner Meinung nach erhältst du mehr Leser, wenn du bekannter bist. Insofern ist es unlogisch, nicht bekannter werden zu wollen, wenn dein Ziel ist, dass mehr Menschen verstehen.

      Mein Blogbeitrag beinhaltet meine Meinung, der keiner zustimmen muss und von der ich weiß, dass sie nur meine eigene Meinung ist, ohne Anspruch auf Wahrhaftigkeit. Wir könnten sonst ja auch nicht diskutieren und würden uns in einer Echokammer bewegen, wie ich das auf Twitter beobachte. Deine Blogbeiträge habe ich bereits gelesen, trotzdem Danke für die Verlinkung. Ich bin der Ansicht, dass ich nur und ausschließlich für mich selbst sprechen kann. Mein Erfahrungshorizont ist nunmal mein ureigener Erfahrungshorizont, meine Wahrnehmung nur meine einzigartige Wahrnehmung. Wenn ich zu meinem Erleben als Autistin schreibe, dann bekomme ich zwar auch Kommentare, die aussagen, dass sich Leute in meinen Worten wiedererkennen. Mich freut es, dass sie das schreiben, aber deswegen kann und will ich trotzdem nicht für diese Leute sprechen, sondern nur für mich.

      Awareness bedeutet Bewusstsein, Gewahrwerdung. Und genau das habe ich gemeint.

      Deinen letzten Satz in Klammern verstehe ich nicht. Magst du mir erklären, was du darunter verstehst, „mit geradem Rücken [zu] stehen und nicht in verschiedene Richtungen [zu] buckeln“ und auf wen oder was du das beziehst?

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  2. Liebe Silke, mein Respekt! Du hast Dich sehr sachlich und klar ausgedrückt. Gut, dass sich jemand einsetzt wenn Menschen öffentlich diffamiert werden.

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    • Liebe Eva,
      Dankeschön für deine Worte.

      Ich finde es wichtig, sich einzusetzen gegen Ungerechtigkeit und das eben leider nicht öffentliche Niedermachen von Anderen auf Plattformen wie Twitter. Denn wenn es öffentlich wäre, dann würden diejenigen beispielsweise einen kritischen Blogbeitrag schreiben oder sich einer Diskussion stellen, statt (meiner Meinung nach) nichtöffentlich innerhalb ihrer Twitter-Echokammer sozusagen hintenherum über Andere herzuziehen. Wer nicht auf Twitter ist, kann sich gar nicht wehren und wer versucht, sich dort zu erklären oder eine der Mehrheit nicht entsprechende Meinung zu vertreten, der wird von immer denselben „Meinungsherrschenden“ persönlich angegriffen.

      Meiner Ansicht nach sollten solche Differenzen am besten im persönlichen Gespräch unter den direkt Betroffenen geklärt werden. Und es sollte gelten: Jeder kann seine eigene Meinung haben, mit der man nicht übereinstimmen muss. Wer Argumente hat, kann die anderen selbstverständlich von seiner Meinung überzeugen. Persönliche Angriffe sind unsachlich und keine Argumente, aber sie kommen vor, auch in Diskussionen. Aber persönliche Angriffe, indem derjenige, um den es geht, gar nicht persönlich angegriffen wird, sondern sozusagen hinter seinem Rücken (RW) auf Twitter über ihn schlecht getwittert wird, sind in meinen Augen ungerecht.

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  3. „Ich meine jeden der Sätze genau so, wie er da steht, einzeln.“

    Der Satz („Diejenigen, die sich engagieren, ohne andere zu kritisieren, die genau dasselbe tun.“) ergibt halt nur ohne das davor, worauf er sich einschränkend bezieht, keinerlei Sinn.
    Ich lese sehr genau. Insbesondere das, was ich zitiere.
    Aber nun denn, dann nehme ich hin, dass du nicht sinnbringend im Zusammenhang schreibst.

    „Allerdings finde ich es schon verwerflich, wenn man das nur bei sich selbst in Ordnung findet, es den anderen aber nicht gönnt.“

    Wer tut das denn aus dem von dir genannten Grund?

    „Meiner Meinung nach erhältst du mehr Leser, wenn du bekannter bist. Insofern ist es unlogisch, nicht bekannter werden zu wollen, wenn dein Ziel ist, dass mehr Menschen verstehen.“

    Es ist für mich aber auch ok, wenn es nur einer liest und was daraus mitnimmt.
    Die Bekanntheit ist mir egal. Die Inhalte sind mir wichtig.
    Angefangen zu schreiben habe ich für meine eigene Verarbeitung, völlig unabhängig davon, ob es überhaupt jemand liest.
    Zudem schrieb ich „Mehr Leser? Gern.“ und nicht, dass das mein Ziel wäre. Aber wenn es mehr werden, ist es gut, weil dann hoffentlich mehr Menschen verstehen.
    An dieser Stelle gebe ich das mit dem genauen Lesen und nicht Interpretieren dann wohl an dich zurück.

    „und würden uns in einer Echokammer bewegen, wie ich das auf Twitter beobachte.“

    https://de.wikipedia.org/wiki/Filterblase
    Ich habe diese Algorithmen ausgeschaltet auf Twitter.
    Und ich lese wirklich nicht selten Menschen mit konträrer Ansicht.

    „Ich bin der Ansicht, dass ich nur und ausschließlich für mich selbst sprechen kann.“

    Du für dich. Ok, kein Problem damit. Aber verallgemeinert auf alle Autisten, hab ich ein Problem mit der Aussage.
    Damit sägst du an unser aller Ast. Denn genau das Argument wenden insbesondere ABA-Befürworter nur allzu gerne an.

    „Awareness bedeutet Bewusstsein, Gewahrwerdung. Und genau das habe ich gemeint.“

    Im Kontext mit Autismus steht „Awareness“ längst für Autism$peaks und „Acceptance“ für die Autisten.
    https://www.google.com/search?q=autism+awareness+criticism+acceptance

    Mein letzter Satz ist ein Bild. Jemand, der mit geradem Rücken steht, steht klar für seine Sache ein. Jemand, der in verschiedene Richtungen buckelt, beugt sich vor anderen, um ihnen zu gefallen – zum Beispiel, weil er sich davon eine Position oder Anerkennung oder etwas anderes verspricht oder erhofft – und verrät damit seine Sache. Ganz allgemein.

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    • Danke für deine Antwort.

      Jeder Satz einzeln ergibt für sich einen Sinn und der ganze Absatz hängt zusammen. Alle, die versuchen, über das Thema Autismus aufzuklären, haben meinen tiefempfundenen Respekt. Denn es ist anstrengend, es kostet Energie. Es gibt diejenigen, die das auf privater Basis tun und diejenigen, die es beruflich tun, beides ist wichtig. Es gibt diejenigen, die es tun, ohne andere für dasselbe Tun zu kritisieren und diejenigen, die andere kritisieren. Es gibt diejenigen, die es ehrenamtlich tun, diejenigen, die für jede Aufklärung Geld haben möchten und alles dazwischen. Aber alle versuchen aufzuklären.

      Das tun meiner Meinung nach diejenigen, die sich darüber aufregen, dass andere für ihre Aufklärungsarbeit Geld möchten, dabei aber ausblenden, dass sie ebenfalls ihren Aufwand entschädigt haben wollen, wenn sie selbst Aufklärungsarbeit betreiben.

      Ich würde mich freuen, wenn du verstehst, dass sich meine Kritik nicht darauf bezieht, dass man mit Aufklärungsarbeit Geld verdienen möchte. Das ist legitim. Von irgendetwas muss man schließlich leben. Wenn man zum Beispiel als Angehöriger nicht anderweitig Geld verdienen kann, weil man sich rund um die Uhr um jemanden kümmern muss oder wenn man als Autist auf dem ersten Arbeitsmarkt keine Nische mit passenden Rahmenbedingungen findet, dann sehe ich nicht, was dagegen spricht, dass man versucht, mit Aufklärungsarbeit Geld zu verdienen. Meine Kritik bezieht sich auf die Doppelmoral und den Erfolgsneid.

      Es tut mir leid, wenn du dich angegriffen fühlst, das interpretiere ich jetzt in deine Antwort hinein, du hast recht, auch ich interpretiere, genau wie jeder Mensch. Allerdings schrieb ich: „Meiner Meinung nach erhältst du mehr Leser, wenn du bekannter bist. Insofern ist es unlogisch, nicht bekannter werden zu wollen, wenn dein Ziel ist, dass mehr Menschen verstehen.“ Schriftliche Kommunikation ist besonders missverständlich, das macht es schwieriger. Bitte lies den letzten Satz nochmal mit der Betonung auf dem „wenn“. Ich bezog mich hier auf die Logik hinter deinen Aussagen.

      Ich habe angefangen, meine Blogbeiträge zu schreiben, um meine Diagnose zu verarbeiten und um aufzuklären, Autismus sichtbarer zu machen. Verstehbarer, wie Autismus auch aussehen kann und wie weit das Spektrum ist. Weil mir selbst die Blogs anderer geholfen haben zu akzeptieren, dass ich Autistin bin und zu verstehen, was mit den Diagnosekriterien gemeint ist. In den Weiten des Internets gibt es verstreut ein paar für mich wertvolle Informationen. Und vielleicht sind meine Beiträge für andere wertvoll. Das kann ich nicht wissen, ich hoffe es aber. Ich selbst freue mich über mehr Leser. Mehr Leser hängen allerdings mit dem Bekanntheitsgrad meines Blogs zusammen. Wenn es mir egal wäre, ob überhaupt jemand meine Beiträge liest und ich ausschließlich für mich schreiben würde, dann wäre ein privates Tagebuch mein Medium der Wahl.
      Du schreibst: „Aber wenn es mehr werden, ist es gut, weil dann hoffentlich mehr Menschen verstehen“. Meiner Meinung nach fehlt in dem Satz ein mich oder eine Ergänzung. Hoffst du, dass dich mehr Menschen verstehen? Oder dass mehr Menschen verstehen, wie dein Autismus aussieht?

      Twitter ist in meinen Augen eine Echokammer. Ein paar „laute“ Menschen twittern dort ihre unumstößliche Meinung und das Echo hallt zurück, wodurch sie sich in der Wahrhaftigkeit ihrer Meinung bestätigt fühlen und sich das Echo verstärkt. Es geht nicht darum, auch mal konträre Ansichten zu lesen, sondern sie innerhalb der Kammer zuzulassen, stehenzulassen, auszuhalten. Sich mit ihnen konstruktiv und auf der Sachebene zu beschäftigen. Wenn das Echo zu stark ist, wird meiner Beobachtung nach Reflexion verunmöglicht.

      Ich bin der Ansicht, dass ich nur und ausschließlich für mich selbst sprechen kann. Das verallgemeinere ich nicht auf alle Autisten. Wenn du für dich meinst, für andere sprechen zu können, ist das so lange für mich ok, solange die anderen für die du sprichst, alle damit einverstanden sind. Ich kann und möchte für mich selbst sprechen. Ich scheitere mit meinen Bemühungen zu verstehen, wie in unsere Diskussion ABA hineinkommt und was ABA mit meiner Meinung zu tun hat.

      Dass Awareness für Autism$peaks steht, wusste ich nicht. Bei mir ergibt eine Googlesuche nach Awareness+Autismus auf der ersten Seite vorwiegend Ergebnisse zum Welt-Autismus Tag, zu Shops, die T-Shirts verkaufen, zu Büchern über Autismus und zu Beiträgen auf einen Blog. Vermutlich liegt das an Googles Suchalgorithmus, ich sollte also öfter mal eine andere Suchmaschine verwenden.

      Danke für deine Erklärung des Satzes: „(Meinen Respekt haben Menschen, die mit geradem Rücken stehen und nicht in verschiedene Richtungen buckeln. Dazu gehört auch, dass sie Kritik üben, wo es angebracht ist.)“ Demzufolge habe ich deinen Respekt, das freut mich.

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  4. Das mit Awareness und Autismus Speaks ist auch nur seine Deutung, die vielleicht eine kleine Echokammer kennt, aber sicherlich nicht die große Mehrheit der Menschen, die man aufzuklären gedenkt. Also würde ich selbstverständlich den Begriff „Awareness“ weiter verwenden. Awareness steht für Erkenntnis, Sensibilisierung, Bewusstseinsschaffung, und das ist ja gut so. Dass das vermeintliche Unterstützerorganisationen für schädliche Zwecke missbrauchen, kann man nicht dem Begriff anlasten.

    Akzeptanz darf auch keine Einbahnstraße sein und man muss auch nicht alles akzeptieren, etwa, wenn man von Autisten beschimpft wird, weil man einen falschen Vergleich gewählt hat oder einen falschen Begriff. Toleranz, Respekt, Verständnis, Entgegenkommen, sich aufeinander einlassen, das sind für mich eher die wichtigen Schlagworte in dem Zusammenhang.

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    • Ich wusste das wirklich nicht, dass autismspeaks und awareness negativ zusammenhängen. In der Arbeit für die Autismus-Strategie-Bayern sollen wir uns in unserer PG auch mit Awareness beschäftigen, hier geht es aber ausschließlich um das Thema Aufklärung der Gesellschaft und Sensibilisierung bzw. Bewusstseinsschaffung für die Bedürfnisse von Autisten.

      Ja da hast du recht. Ich handhabe das so: Ich ignoriere Beleidigungen und persönliche Angriffe. Machen kann ich eh nichts dagegen, das wäre auch vergebliche Liebesmüh es überhaupt zu versuchen, denn die Personen, die mich beleidigen oder persönlich angreifen, sind nach meiner Beobachtung faktenresistent.

      Respekt, Toleranz, den Versuch zu verstehen und dass sich jemand auf mich einlässt, das habe ich in den letzten Monaten erleben dürfen. Ich bin sehr froh, gerade in Zusammenhang mit der Arbeit in der PG Autisten, solchen Personen begegnet sein zu dürfen. Ganz besonderen Dank an euch liebe MitPGMenschen, solltet ihr das hier lesen. Hier auf meinem Blog begegnet mir das ebenfalls, ich freue mich immer, von dir zu lesen und danke dir recht herzlich dafür. Und auch allen anderen, die mir motivierende und konstruktive Kommentare schreiben.

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  5. Alles ist Markt. Auch Autismus. Und da gibt es Konkurrenz. Da kann man zwar hoffen, dass Bestrebungen positiv aufgenommen werden, aber das ist wie überall im Markt. Es gibt immer Menschen, denen das nicht passt. Die Notwendigkeit, sein Leben von einem Erwerb zu bestreiten, der höher als ALG I oder ALG II ist, erzwingt Hobbys zum Beruf zu machen, da sonst Sozialhilfe irgendwann droht und so manches auf dem Spiel steht.

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  6. Pingback: Was meiner Meinung nach alles an Mist unter dem Deckmantel der Aufklärungsarbeit zu Autismus passiert: | SWB - MeiBlog

Was mögen Sie zur Diskussion beitragen? Sie können gerne in einen Diskurs mit mir gehen. Die einzige Einschränkung meinerseits ist, dass dies konstruktiv und auf einer Sachebene geschehen sollte.